Nach dem Willen des Finanzministers sollen Wehrdienstleistende und Bufdis Steuern zahlen. Die Empörung ist auch in der CDU groß.

Berlin. Wolfgang Schäuble muss sparen. Der Finanzminister hat bisher wenig Zweifel daran gelassen, dass dieses eine der Hauptaufgaben ist, die er angesichts der europäischen Schuldenkrise zu bewältigen hat. Quasi seit Beginn der schwarz-gelben Regierungszeit im Herbst 2009 hat er sich als oberster Sparkommissar von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) präsentiert. Umso mehr gilt das, seit Griechenland- und Euro-Rettung immer neue finanziellen Risiken für den Bundeshaushalt mit sich bringen. Erst gestern wurde zudem bekannt, dass für das Mammutprojekt Energiewende deutlich weniger Geld zusammengekommen ist, als tatsächlich benötigt wird.

Schäuble denkt deshalb nicht nur ans Sparen, sondern auch daran, wie er mehr Geld in seine Kasse bekommt. Ein seit gestern besonders umstrittener Vorschlag hierfür findet sich im Entwurf zum Jahressteuergesetz 2013, aus dem "Bild"-Zeitung und "Berliner Zeitung" zitierten. Demnach sollen künftig auch die Wehrdienstleistenden und die Teilnehmer am Zivi-Nachfolger Bundesfreiwilligendienst, genannt Bufdis, Steuern zahlen. Bislang waren beide Jobs von Abgaben befreit. Eine Sprecherin des Finanzministers bestätigte gestern, die Steuerexperten Schäubles seien zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Gleichbehandlung mit anderen Einkommen geboten sei. Eine Berechnung zu den daraus resultierenden Einnahmen gebe es allerdings nicht.

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Dass der Vorstoß ein Alleingang des Finanzministers ist, der den Koalitionspartner und selbst die eigene Partei aufgeschreckt hat, lässt sich an den teils heftigen Reaktionen ablesen. Das für den Bundesfreiwilligendienst zuständige CDU-geführte Familienministerium warnte vor einer "politisch verheerenden Wirkung". Staatssekretär Josef Hecken verwies auf ein überwältigendes Maß an Bereitschaft, sich freiwillig für die Gesellschaft zu engagieren. Das werde in der Zahl von 35 000 Teilnehmern deutlich. "Hier eine Steuerpflicht einzuführen wäre ein völlig falsches Signal." Auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ließ ausrichten, es handele sich beim freiwilligen Wehrdienst um einen "Dienst an der Gesellschaft". Es sei eine Grundsatzfrage, ob es eine Tätigkeit sei, "um Einkommen zu erzielen oder dem Gemeinwohl zu dienen".

Betroffen von den Plänen wären vor allem die freiwillig Wehrdienstleistenden. Bei den Bufdis sind 336 Euro als Höchstgrenze für das Taschengeld festgelegt, das statt eines Lohns gezahlt wird. Nach Angaben des Familienministeriums würde die Steuerpflicht deshalb "in weit über 90 Prozent der Fälle" keine Auswirkungen haben. Der Fiskus langt erst bei Einkünften über dem steuerlichen Grundfreibetrag von 8004 Euro für Ledige im Jahr zu.

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Für die Wehrdienstler werden sich die Einbußen nach Darstellung des Verteidigungsministeriums auf durchschnittlich 65 Euro im Monat belaufen. Die Einkünfte richten sich nach der Dauer des Wehrdienstes und bewegen sich zwischen 777 Euro und 1146 Euro. "Mit großer Verwunderung nehme ich die Absicht von Finanzminister Schäuble zur Kenntnis, Bezüge von freiwillig Wehrdienstleistenden ab 2013 besteuern zu wollen", sagte FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff dem Abendblatt.. "Diese Maßnahme macht den freiwilligen Wehrdienst zusätzlich unattraktiv." Außerdem bestehe die Gefahr, nicht genügend Freiwillige für den Wehrdienst in den Streitkräften zu gewinnen. "Dies kann auch nicht im Sinne der Bundesregierung sein, die die Einführung des freiwilligen Wehrdienstes ja schließlich beschlossen hat." Der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen, Mitglied des Verteidigungsausschusses, fordert sogar Kompensation: "Sollte Finanzminister Schäuble an der Besteuerung dieser Gruppen festhalten, erwarten wir, dass die Bezüge der Betroffenen entsprechend erhöht werden. Die Wehrdienstleistenden und Bufdis dürften netto nicht schlechter gestellt werden", sagte er dem Abendblatt. Auch der Chef des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, argumentierte, die Steuerpflicht könne nur dann eingeführt werden, wenn der Wehrsold gleichzeitig ordentlich aufgestockt werde. Schäubles Pläne seien ein verheerendes Signal, "zumal in Zeiten, in denen über den Ehrensold für den Bundespräsidenten debattiert wird".

Heftige Kritik kam auch aus der Opposition. "Ich finde es unglaublich, dass die Bundeswehr mit Steuerfreiheit wirbt und diese zugleich abgeschafft werden soll", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Verteidigungsminister de Maizière und der Finanzminister müssten sich dringend besser absprechen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband und die AWO forderten, die Pläne zu beerdigen. "Ausgerechnet jetzt, wo der Bundesfreiwilligendienst zu einer echten Erfolgsgeschichte geworden ist, sorgt der Finanzminister für neue Verunsicherung bei Freiwilligen und Einsatzstellen", kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider. AWO-Vorsitzender Wolfgang Stadler erklärte, es sei "ein echtes Armutszeugnis", die Bezüge derjenigen besteuern zu wollen, "die sich für ein Taschengeld bis zu 40 Stunden die Woche freiwillig sozial engagieren". Freiwilliges Engagement könne nicht hoch genug bewertet werden und dürfe kein Mittel zur Haushaltssanierung sein.