Die Koalition einigt sich auf Veränderungen beim Sorgerecht für unverheiratete Eltern. Auch ein Finanz-Tüv soll eingeführt werden.

Berlin. Es herrscht wieder Frieden in der Regierungskoalition in Berlin. Vor zwei Wochen, als die Wahl auf Joachim Gauck als Kandidaten für die Bundespräsidenten-Wahl gefallen war, standen CDU, CSU und FDP vor dem Aus. Am Sonntag einigten sich die Politiker bei ihrem Spitzentreffen auf eine Reihe von Reformen. Das Sorgerecht für unverheiratete Eltern, das Wettbewerbsrecht, das Urheberrecht sowie ein konkretisierter Fahrplan für die Energiewende gehören zu den geplanten Reformen. Union und FDP streben außerdem noch in dieser Wahlperiode eine Grundgesetzänderung an, um das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik aufzuheben. Das teilten die Generalsekretäre von CDU, CSU und FDP am Sonntagabend im Kanzleramt mit. CDU-Generalsekretäre Hermann Gröhe sprach von konkreten Verabredungen und wichtigen Leitentscheidungen bei der Energiepolitik.

Auch eine Veränderung beim sogenannten Warnschussarrest sei vereinbart worden. In Zukunft sollen junge Gewalttäter trotz einer nur zur Bewährung ausgesetzten Strafe vorübergehend ins Gefängnis kommen können. So sollen jugendliche Straftäter bei einer Bewährungsstrafe bis zu vier Wochen inhaftiert werden können. Ihnen soll damit der Unterschied vor Augen geführt werden, was es bedeutet, hinter Gittern zu sitzen oder dank der Bewährungsstrafe von Inhaftierung verschont zu bleiben.

Die Koalitionsspitzen gaben auch endgültig grünes Licht für die Aufstockung der Mittel zur Gebäudesanierung auf 1,5 Milliarden Euro. Zudem streben Union und FDP noch in dieser Wahlperiode eine Grundgesetzänderung an, um das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik aufzuheben.

Das teilten die Generalsekretäre von CDU, CSU und FDP, Hermann Gröhe, Alexander Dobrindt und Patrick Döring mit. Gröhe sprach von konkreten Verabredungen. Dobrindt sagte, die Koalitionsspitzen hätten in lockerer und freundschaftlicher Atmosphäre getagt. Mit ihren Beschlüssen erfüllten sie mehrere Vereinbarungen aus ihrem 2009 geschlossenen Koalitionsvertrag. Heikle Themen wie Mindestlohn oder Vorratsdatenspeicherung wurden ausgeklammert.

Unverheiratete Eltern kommen bald einfacher und schneller an das gemeinsame Sorgerecht. Bisher gab es ein gemeinsames Sorgerecht für Unverheiratete nur, wenn die Mutter einverstanden war. Die Neuregelung wird die Rechte lediger Väter stärken. Wenn sich die Mutter nicht einverstanden erklärt, hat der Vater künftig die Wahl, entweder direkt das Gericht anzurufen oder zunächst mit der Hilfe des Jugendamtes eine Einigung mit der Mutter herbeizuführen. Das Gericht entscheidet, wenn die Mutter nicht zustimmt.

Geschäfte mit der Sterbehilfe sollen unter Strafe gestellt werden. Dazu soll ein neuer Tatbestand im Strafgesetzbuch geschaffen werden, der die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Die eigenverantwortliche Selbsttötung ist ebenso wie deren Versuch oder die Teilnahme daran straflos. Dies soll für Fälle einer kommerzialisierten Suizidhilfe korrigiert werden. Denn dies könnte Menschen nach Ansicht der Koalition dazu verleiten, sich umzubringen.

Die Verbraucher sollen nach dem Willen der Koalition besser vor riskanten Finanzprodukten geschützt werden. Dazu soll die Stiftung Warentest im Auftrag des Staates Finanzprodukte prüfen und bewerten. Verbraucher sollen anhand von Anlage-Kategorien Risiken und Chancen von Finanzprodukten besser einschätzen können. Auch soll die Stiftung kontrollieren, ob Banken vorgeschriebene Informationspflichten tatsächlich einhalten. Die Organisation soll 1,5 Millionen Euro pro Jahr und mehr Personal erhalten und eine Art TÜV für Finanzprodukte entwickeln. Die Stiftung Warentest ist seit 1964 eine der renommiertesten Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland.

Ferner soll die seit 2009 sehr weitgehende Kronzeugenregelung geändert werden, die bisher eine Strafmilderung auch dann ermöglicht, wenn zwischen der Tat des Kronzeugen und derjenigen, zu der Hilfe zur Aufklärung geleistet wird, kein Zusammenhang besteht. Nun soll eine Strafmilderung auf Fälle begrenzt werden, in denen die Offenbarung des Täters im Zusammenhang mit der eigenen Straftat steht. So soll ein Vergewaltiger nicht mehr in den Genuss eines Kronzeugenrabatts kommen, wenn er die Steuerhinterziehung eines Freundes offenbart.

Das Karellamt soll mehr Macht erhalten, um die Rechte mittelständischer Betriebe gegen große Konzerne besser zu schützen. Bei Missbrauch sollen Konzerne notfalls zerschlagen werden können.

Vor zwei Wochen stand das Regierungsbündnis noch auf der Kippe, als die Spitzen von Union und FDP über die Nachfolge des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff berieten. Merkel hatte den DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck zunächst abgelehnt. Sie lenkte aber ein, nachdem der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle überraschend klar machten, dass sie Gauck notfalls gemeinsam mit SPD und Grünen durchsetzen würden. (abendblatt.de/dpa)