Entscheidung des Präsidialamts ruft Kritik hervor. Staatsrechtler: “Höchst anfechtbar“

Berlin. Vor zwei Wochen war er nach Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zurückgetreten. Jetzt steht fest: Der frühere Bundespräsident Christian Wulff, 52, erhält bis zu seinem Lebensende einen sogenannten Ehrensold vom Staat. Das entschied gestern das Bundespräsidialamt in Berlin.

Wulff, der rund 20 Monate im Amt war, hat nach den derzeit gültigen Sätzen Anspruch auf 199 000 Euro jährlich. Außerdem übernimmt der Bund die Kosten für ein Büro mit Sekretariat, persönlichem Referenten, Dienstwagen und Chauffeur. Diese Ausgaben belaufen sich noch einmal auf rund 280 000 Euro im Jahr. Die Linkspartei und einzelne FDP-Abgeordnete übten scharfe Kritik. Die meisten Politiker von Union und SPD äußerten dagegen Verständnis. Man solle nicht nachkarten, sagte Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner der "Welt".

Das Bundespräsidialamt, das laut Gesetz allein über den Ehrensold beschließt, begründete die Entscheidung damit, dass der Rücktritt aus politischen Gründen erfolgt sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsannahme. Der frühere niedersächsische Ministerpräsident soll Vergünstigungen von befreundeten Unternehmern angenommen haben - etwa teure Hotel- und Ferienaufenthalte. Wulff bestreitet die Vorwürfe. In seiner Rücktrittserklärung sagte er, er habe nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit des Volkes. Deshalb könne er das Amt nicht so ausfüllen, wie es geboten sei.

Nach dem Gesetz von 1953 erhält ein Bundespräsident den Ehrensold nur, wenn er "aus politischen oder gesundheitlichen Gründen" ausscheidet. Von persönlichen Gründen ist nicht die Rede. Laut Präsidialamt waren aber "objektive Umstände für eine erhebliche und dauerhafte Beeinträchtigung der Amtsausübung gegeben". Versorgungsansprüche Wulffs aus seiner Zeit als Ministerpräsident sollen auf den Ehrensold angerechnet werden.

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hält den Bescheid rechtlich für "höchst anfechtbar". Der Rücktritt Wulffs sei "nicht aus politischen Gründen im Sinne des Gesetzes erfolgt", sagte von Arnim. "Die Entscheidung wurde wohl auch dadurch erleichtert, dass das Präsidialamt keine gerichtliche Überprüfung fürchten muss. Denn gegen die Entscheidung kann niemand klagen." Eine politische Kontrolle falle aus.

Auch der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin nannte es verwunderlich, dass der von Christian Wulff eingesetzte Staatssekretär Lothar Hagebölling und nicht dessen Nachfolger mit der Frage befasst gewesen sei: "Es war keine Eile geboten", sagte er dem "Tagesspiegel". Man hätte den Amtsantritt des künftigen Bundespräsidenten abwarten können. Die Linke monierte, der Ehrensold sei den Bürgern, denen die Rente mit 67 zugemutet werde, nicht vermittelbar.

Der Sprecher der parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion, Ernst Dieter Rossmann, forderte eine Reform des Ehrensolds: "Das System von Ehrensolden erinnert mitsamt den Apanagen an vordemokratische Strukturen, die wir überprüfen müssen", sagte er dem Abendblatt. "Ehemalige Bundespräsidenten, Bundeskanzler und Bundestagspräsidenten sollten eine ausreichende Grundabsicherung erhalten, aber nicht auf Lebenszeit derart hoch alimentiert werden."