Der Thüringer Landtag setzt einen Untersuchungsausschuss ein. Beate Zschäpe soll am 12. März als erste Zeugin vorgeladen werden.

Erfurt. Bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie sind noch viele Fragen offen - eines scheint jedoch gewiss: Die ersten und damit wohl folgenreichsten Ermittlungspannen müssen sich die Behörden in Thüringen vorwerfen lassen. Die Mitglieder des Nationalsozialisten Untergrundes Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe stammen aus Jena. Sie konnten - obwohl bereits im Visier der Ermittler - 1998 untertauchen und dann jahrelang unbehelligt mordend durch Deutschland ziehen. Die Umstände, die das ermöglichten, will seit gestern ein Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags klären. Als erste Zeugin soll am 12. März Beate Zschäpe vorgeladen werden. Während der Untersuchungsausschuss des Bundestages versucht, das gesamte Zusammenspiel der Sicherheitsbehörden zu durchleuchten, konzentrieren sich die Parlamentarier in Erfurt auf die Thüringer Behörden. "Vom Umfang her stellt der Ausschuss alle bisherigen in den Schatten", beschreibt SPD-Fraktionschef Uwe Höhn das Pensum der neun Mitglieder.

Auf neun Seiten sind 66 Fragen zum "möglichen Fehlverhalten" von Sicherheits- und Justizbehörden und der zuständigen Ministerien aufgelistet. Zum Vergleich: Der Bundestags-Untersuchungsausschuss kommt nur auf drei Seiten. Vor den Thüringer Abgeordneten liegt ein monatelanger Marathon mit der Befragung zahlloser Zeugen und der Sichtung noch unüberschaubarer Aktenberge. "Es ist das Großprojekt dieser Legislatur", ist Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund überzeugt.

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Thüringen hat, anders als etwa das Nachbarland Sachsen, wo die Zwickauer Terrorzelle jahrelang unbemerkt lebte, bereits früh Willen zur Aufklärung gezeigt. So setzte Innenminister Jörg Geibert (CDU) Ende vergangenen Jahres eine Expertenkommission ein, die etwaige Pannen und Versäumnisse bei der Fahndung nach dem Trio aufdecken soll. Die Kommission unter Leitung des früheren Bundesrichters Gerhard Schäfer will bis Ostern ihren Bericht vorlegen. Eines ließ Schäfer bereits durchblicken: Der Informationsfluss zwischen Polizei und Verfassungsschutz hat "an der einen oder anderen Stelle entscheidend gehakt". Dabei geht es um die Einstufung wichtiger Observationserkenntnisse als geheim. Die Polizei konnte Informationen, die sie für eine Festnahme des Trios benötigt hätte, dadurch nicht sofort nutzen.

Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe gehörten einst dem rechtsextremen Thüringer Heimatschutz an und waren Ende der 1990er-Jahre wegen des Baus von Sprengsätzen in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten. Die Polizei hatte im Januar 1998 zunächst eine Garage in Jena an der Wohnung von Böhnhardt durchsucht und nichts Verdächtiges gefunden. Danach setzte sich Böhnhardt ins Auto und fuhr davon. Die Bombenwerkstatt entdeckten die Fahnder erst mehr als eine Stunde später in einer zweiten Garage. Gegen Böhnhardt lag zu dieser Zeit kein Haftbefehl vor, da er nur mit einer Bombenattrappe in Verbindung gebracht wurde.