Der Bundespräsident hat seinen Ruf beschädigt, sagen 77 Prozent der Deutschen

Berlin/Rom. Günstiger Hauskredit, Urlaube mit solventen Unternehmern, Auto-Leasing - die Liste von Vorwürfen gegen Christian Wulff wird seit knapp zehn Wochen immer länger. Mittlerweile hat auch das Image des Bundespräsidenten darunter massiv gelitten. Laut dem neuen ZDF-Politbarometer halten 77 Prozent der Befragten Wulffs Ruf infolge der Affären für dauerhaft beschädigt. Für seinen Rücktritt von Wulff plädieren 48 Prozent, 46 Prozent wollen ihn weiter im Amt sehen. Allerdings glauben nur 28 Prozent, dass Wulff in nächster Zeit seinen Hut nimmt. Nach Ansicht des Kommunikationsberaters Michael Spreng gibt es für Wulff keine Chance mehr, sich aus der Glaubwürdigkeitskrise zu befreien. "Er ist nur noch Getriebener der eigenen Affäre." Ohne die dahinter stehende Integrität seien seine Worte nichts als "Worthülsen". Der Forsa-Experte Peter Matuschek sagte, der Ansehensverlust des Präsidentenamts in den Umfragen sei ohne Beispiel.

Da mag es Wulff gelegen kommen, dass er Anfang der Woche bei seiner ersten Staatsvisite seit Ausbruch der Krise etwas Abstand von ihr gewinnen kann - im skandalerprobten Italien. Die dreitägige Reise nach Rom, Mailand und Bari könnte auch dabei helfen, etwas von der Würde und Autorität des Amtes zurückzuerlangen, die nach Ansicht seiner Kritiker komplett abhandengekommen sind. In Rom steht neben einem Treffen mit Präsident Giorgio Napolitano ein Gespräch mit Ministerpräsident Mario Monti auf dem Programm. Im Mittelpunkt der Reise stehen die Wirtschaftspolitik und die Euro-Schuldenkrise. Wulff wird daher von einer hochrangigen Delegation begleitet - Vertretern von Industrie, Finanzsektor, Mittelstand und Familienunternehmen. Einen Höhepunkt des Besuchs soll am Dienstag in Mailand eine europapolitische Rede bilden.

Auf jeden Fall muss der Bundespräsident nicht fürchten, dass die Vorwürfe in der Heimat die Berichterstattung der italienischen Medien über seinen Besuch dominieren werden. "Italien ist da andere Skandale gewohnt", sagt der Journalist Alessandro Alviani von der Zeitung "La Stampa" mit Blick auf Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi. "Für italienische Verhältnisse ist es schwer zu vermitteln, wo bei Wulff die Verfehlungen liegen", sagt Alviani. Einen Grund für einen Rücktritt des Bundespräsidenten sehe man in der Bevölkerung jedenfalls nicht.