Carsten S. soll der Neonazi-Terrorzelle Beihilfe zum Mord geleistet haben. In seinem Umfeld galt der Sozialpädagoge als freundlicher Alternativer.

Düsseldorf/Karlsruhe. Vor wenigen Tagen noch hatten Ermittler in Karlsruhe eine Spur des braunen Terrors nach Düsseldorf bestritten, doch am Mittwoch schlug die Eliteeinheit GSG 9 genau dort zu: In einem von vielen Ausländern bewohnten Düsseldorfer Arbeiter-Stadtteil Oberbilk. Die Bundesanwaltschaft hat damit einen weiteren mutmaßlichen Unterstützer der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle um Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe und Uwe Mundlos verhaften lassen, den 31-jährigen Carsten S. Das teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. S. wird Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord der Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund vorgeworfen. Ein Haftbefehl des Ermittlungsrichters gegen S. liegt beim Bundesgerichtshof vor.

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Vor wenigen Tagen noch hatte der 31-Jährige über seinen Anwalt jede Beteiligung an den NSU-Morden bestritten und sein Entsetzen über die Taten kundgetan. Er sei aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen und verabscheue deren Treiben, ließ er wissen. Dass er Mitglied im berüchtigten Thüringer Heimatschutz war, löst dort, wo man S. in Düsseldorf kennengelernt hat, ungläubiges Staunen aus. Ebenso, dass er NPD-Jugendfunktionär und 1999 und 2000 zeitweise wichtigster Kontaktmann der Zwickauer Terrorzelle gewesen, ihr eine Schusswaffe zugespielt haben soll. Carsten S. soll nach bisherigen Erkenntnissen gemeinsam mit dem bereits im November 2011 festgenommenen Ralf W. dem NSU 2001 oder 2002 eine Waffen verschafft haben. Ralf W. soll einen Kurier mit dem Transport von Waffe und Munition zu den „NSU“-Mitgliedern nach Zwickau betraut haben. Carsten S. wird eine "enge persönliche und ideologische Verbindung" zur Terrorzelle vorgeworfen. Bislang sei allerdings nicht geklärt, ob die Waffe tatsächlich für terroristische Straftaten des NSU eingesetzt worden ist.

Carsten S. studierte Sozialpädagogik an der Fachhochschule, arbeitete als Berater im sozialen Bereich für gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen. Auf Fotos im Internet lächelt er mit Jugendlichen in einem Jugendzentrum um die Wette. Bis zu seiner Festnahme arbeitete er in einem eher alternativen Milieu mit Homosexuellen. Es scheint, als hätte S. die Welten gewechselt: Das Logo der Studentenvertretung der FH Düsseldorf, an der S. studierte, ziert ein roter Stern. Das erstgenannte Referat heißt „Antifa“. Ob der Milieuwechsel mit Hilfe des Aussteigerprogramms für Rechtsextreme geschah, darüber halten sich die Behörden bedeckt. Seine Herkunft aus Thüringen hatte Carsten S. in Düsseldorf nicht verschwiegen, seine Vergangenheit anscheinend schon.

„Das ist ein toller Mensch, ein super Mitarbeiter“, sagt die Leiterin des Jugendzentrums, in dem er acht Stunden die Woche arbeitete. „Ich glaube das erst, wenn ein Richter das bestätigt hat.“ Auch bei seinem Haupt-Arbeitgeber, einer Hilfseinrichtung, hört man am Mittwoch nur Gutes: „Ein ganz toller Mitarbeiter.“ Ein junger Mann im schwierigen Alter von 18, 19 Jahren sei Carsten S. damals gewesen, hatte sein Kölner Anwalt Jacob Hösl argumentiert. Dass S. auch noch in Nordrhein-Westfalen als logistischer Helfer für die Zwickauer Terroristen gedient haben soll, hielt der Anwalt vergangene Woche für abwegig: „Als hätten die nicht auch allein mit dem Auto durch Deutschland fahren können.“

„Ich bin im Jahre 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen. Seitdem habe ich mich davon distanziert und verabscheue jegliche Art von rechtem, rassistischem und extremistischem Gedankengut“, hatte Carsten S. über seinen Anwalt mitgeteilt. Nach 2000 habe er keinen Kontakt mehr zur rechten Szene gehabt. Er habe von den Straftaten der Zwickauer Terrorzelle nichts gewusst und sei über deren Aktivitäten extrem erschrocken. Zur Frage, ob er das Neonazi-Trio persönlich kannte, schwieg sich S. allerdings aus. „Mehr möchte ich dazu nicht sagen, da ich vor elf Jahren ein neues Leben begonnen habe.“ Ins Rheinland zog S. einem Verfassungsschutzbericht zufolge allerdings erst im Jahr 2003. Nicht nur über diese Lücke von immerhin drei Jahren wird er nun den Ermittlern von Bundesanwaltschaft und BKA einige Fragen beantworten sollen.

Die Zwickauer Terrorzelle wird für neun Morde an Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft zwischen 2000 und 2006 sowie für den Mord an einer Polizistin in Heilbronn am 25. April 2007 verantwortlich gemacht. Zudem sollen die Terroristen für Bombenanschläge im Januar 2001 und Juni 2004 in Köln verantwortlich sein.

Mit Material von dapd/dpa