Sicherheit kostet künftig Prämien. Und der Staat verdient erstmals an seinen Schulden

Hamburg. Das hat es in Deutschland noch nie gegeben: Während Krisenstaaten wie Portugal oder Griechenland hohe Zinsen für ihre Staatsanleihen bezahlen müssen, verdient Deutschland beim Verkauf von Geldmarktpapieren, also Schuldbriefen, jetzt sogar erstmals Geld.

Bei der Versteigerung der Anleihen mit sechsmonatiger Laufzeit nahm der Bund gestern 3,9 Milliarden Euro ein. Die Papiere waren so begehrt, dass die Anleger nicht nur auf Zinseinnahmen verzichteten, sondern sogar noch Geld anboten, damit sie ihr Kapital verleihen durften. "Die Anleger haben eine Prämie bezahlt, weil sie in Deutschland sicher sein können, dass sie ihr Geld nach sechs Monaten wieder zurückerhalten", sagte Jochen Intelmann, Chefvolkswirt der Haspa, dem Abendblatt.

Der Auslöser für die auf den ersten Blick absurde Reaktion ist die seit Monaten schwelende europäische Schuldenkrise. Zwar sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern nach einem Treffen mit Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy von "einem ambitionierten, aber schaffbaren Ziel", den Euro zu stabilisieren. Sie dämpfte aber Erwartungen an eine schnelle Lösung der Krise.

Wer gestern das neue Geldmarktpapier gezeichnet hat, muss der deutschen Finanzagentur nach sechs Monaten einen sogenannten Negativzins, also eine Prämie, in Höhe von 0,0122 Prozent überweisen. Bei 3,9 Milliarden Euro kassiert der Fiskus damit am Ende knapp 250 000 Euro.

"Dass die Anleger auf dieses Verlustgeschäft eingehen, ist Ausdruck der extremen Unsicherheit am Markt", sagt Intelmann. "Geld wird in Deutschland geparkt, weil es innerhalb der Euro-Zone der derzeit sicherste Platz ist", betont die Analystin der ING Bank, Emelia Sithole-Matarise.

Denn die Investoren sind misstrauisch wie nie zuvor. In diesen unsicheren Zeiten wollen viele ihr Geld nicht den Banken anvertrauen. Auch Anleihen klammer Staaten finden trotz hoher Renditeversprechen nur schwer Abnehmer. Die Sorge, dass weitere Banken aufgeben müssen und noch mehr Staaten Liquiditätsprobleme bekommen, ist groß. Deshalb machen vorsichtige Geldgeber lieber ein kleines Minusgeschäft, als fürchten zu müssen, einen Totalverlust zu erleiden.

Neben Deutschland gelten nur noch wenige europäische Staaten als sichere Häfen für die Geldanlage. Dazu gehört Dänemark, das im Dezember ebenfalls erstmals Negativzinsen erzielte. Andere Staaten können sich nur dann Geld leihen, wenn sie hohe Zinsen zahlen. Bei griechischen Anleihen mit einer Laufzeit von rund zwei Jahren könnte ein Investor derzeit am Ende 161 Prozent Rendite erzielen - wenn die Griechen zahlungsfähig bleiben und es keinen Schuldenschnitt gibt. Bei Portugal sind es immerhin noch 9,93 Prozent.