Die Mahnungen zur Geschlossenheit fruchten nicht. FDP setzt Union bei der Bundeswehrreform unter Druck

Berlin. Der Appell des CDU-Generalsekretärs Hermann Gröhe zu mehr Geschlossenheit in der Koalition war erst wenige Stunden alt. Da tat sich bereits ein neues Konfliktfeld zwischen Union und Liberalen auf. Neben dem Streit um das Sparpaket und den Umgangston innerhalb der Bundesregierung hält nun auch die Debatte um die Zukunft der allgemeinen Wehrpflicht die Koalition in Atem.

Die FDP fordert von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eine schnelle Entscheidung über die von ihm selbst ins Spiel gebrachte Aussetzung des Dienstes an der Waffe. "Vor dem nächsten Einberufungstermin am 1. Oktober sollte Klarheit über die Zukunft der Wehrpflicht bestehen", sagte Elke Hoff, verteidigungspolitische Sprecherin der Liberalen, dem Hamburger Abendblatt: "Es wäre gut, wenn im September ein entscheidungsreifer Vorschlag des Ministers auf dem Tisch liegen würde, ob es bei sechs Monaten Wehrpflicht bleibt oder ob die Aussetzung kommt." Man könne nicht angesichts der Haushaltslage eine Wehrpflicht aufrechterhalten, die für eine Armee im Einsatz keinen Nutzen mehr habe, so Hoff. "Der Abbau von Zeit- und Berufssoldaten macht nur dann Sinn, wenn gleichzeitig auch die Wehrpflicht ausgesetzt wird."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich erstmals bereit, über eine Abkehr von der Wehrpflicht zu verhandeln: In der Bundeswehr müsse es "einen zukunftsweisenden Strukturwandel" geben, wobei auch über ein Aussetzen der Wehrpflicht nachgedacht werden dürfe, sagte Merkel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Die Kanzlerin bekräftigte zugleich, sie sei - ebenso wie auch Guttenberg - persönlich "eine überzeugte Anhängerin der Wehrpflicht". Mit Blick auf den erforderlichen Strukturwandel habe sie dem Verteidigungsminister aber grünes Licht gegeben, "über alles nachzudenken". Dabei sei ihr jedoch wichtig, dass Änderungen nicht nur haushaltspolitisch begründet seien.

Die Mittel, die für die Sicherheit nötig seien, müssten "ohne Wenn und Aber" im Rahmen des Haushalts aufgebracht werden. Guttenberg erneuerte danach seinen Vorstoß, die Wehrpflicht möglicherweise auszusetzen. Einsätze der Bundeswehr müsste militärisch vertretbar bleiben, auch wenn die Armee stark verkleinert werde, mahnte er im Bundestag. Wenn aber zu viele Soldaten in der Ausbildung der Wehrpflichtigen gebunden seien, könne sich dies negativ auf die Einsatzfähigkeit einer verkleinerten Truppe auswirken, gab er zu bedenken.

In der CSU-Zentrale, wo Guttenbergs Kurs mit Skepsis verfolgt wird, zeigte man sich grundsätzlich offen für Gespräche, meldete aber zugleich auch neue Bedenken an. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte dem Abendblatt: "Die Diskussion über die Strukturreform der Bundeswehr, die Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt plant, sollte sicherlich ergebnisoffen und ohne Vorfestlegungen geführt werden. Allerdings ist auch klar, dass die Union die Partei der Bundeswehr ist und bleibt." Dobrindt sagte weiter: "Wir haben maßgeblich zum Aufbau der Bundeswehr in der Nachkriegszeit beigetragen. Deswegen haben wir eine ganz besondere Verantwortung auch für die Wehrpflicht. Sie steht für die enge Verbindung der Bundeswehr zu den Menschen in diesem Lande. Das ist ein großer Wert."

Verteidigungsminister Guttenberg soll im Auftrag des Kabinetts bis Anfang September klären, welche Konsequenzen eine Verkleinerung der Bundeswehr um bis zu 40 000 Zeit- und Berufssoldaten hätte. Um bei einem solch drastischen Abbau die verbleibende Truppe nicht überproportional zu belasten, erwägt der CSU-Politiker das vorläufige Ende des Wehrdienstes. In seiner Partei ist das Vorhaben nach wie vor umstritten. In einem Schnellverfahren soll der Wehrdienst nun wie in den Koalitionsverhandlungen verabredet zum 1. Juli von neun auf sechs Monate verkürzt werden. Dieselbe Regelung gilt auch für den Zivildienst.