Die Union will Trittin und Gabriel vor den Untersuchungsausschuss laden. Sie wirft den Ex-Ministern “plötzlichen Sinneswandel“ vor.

Berlin. Ein Untersuchungsausschuss ist das Terrain, auf dem die Opposition die Regierung zum Nahkampf zwingt. Und der Gorleben-Untersuchungsausschuss, der sich morgen in Berlin konstituiert, wird da keine Ausnahme machen. Etwas leger formuliert ist er ein Überbleibsel aus dem letzten Bundestagswahlkampf.

Anfang September 2009 hatte der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) unterstellt, ein Gutachten zur Eignung Gorlebens als Endlager für Atommüll sei 1983 auf politischen Druck hin umgeschrieben. Und diesen Druck habe die Regierung Kohl auf die beteiligten Wissenschaftler ausgeübt. "Ehrlich gesagt, das entsetzt einen schon. Die Menschen glauben ja dem Staat nicht mehr", sagte Gabriel damals. "Wir brauchen ja ein Endlager. Wenn sie glauben, der Staat manipuliert die Gutachten, wie sollen wir da Akzeptanz dafür finden?" Der Vorgang sei deshalb ein Skandal mit schwerwiegenden Folgen, Gorleben als mögliches Endlager "faktisch tot".

Tatsächlich hatten Experten damals empfohlen, auch noch andere Standorte zu erkunden. Diese Passage wurde damals gestrichen, weil die Kohl-Regierung befürchtete, das werde die Bevölkerung "als Zweifel an der Eignung des Salzstocks" deuten. Der Rest ist Geschichte. Die SPD wurde am 27. September 2009 abgewählt, kündigte aber an, dass sie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen werde.

Das hat sie Anfang April mit sechsmonatiger Verspätung und gemeinsam mit den Grünen getan. Morgen geht es los. Zwei Tage bevor Tausende von Atomkraftgegnern in Hamburg und in Schleswig-Holstein gegen die Atompolitik der Bundesregierung demonstrieren werden. 18 Tage vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl, in deren Vorfeld die Atompolitik eine zentrale Rolle spielt. Erst am Montag haben SPD-Chef Gabriel und die beiden Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir in Berlin erklärt, die NRW-Wahl sei auch ein "Referendum über den Atomsausstieg".

Union und FDP, die Mitte März das vor zehn Jahren von der rot-grünen Bundesregierung verhängte Moratorium zur Erkundung des Salzstocks aufgehoben haben, werfen SPD und Grünen politisches Taktieren vor. Den Oppositionsparteien gehe es darum, einen Mythos am Leben zu erhalten. Ein Untersuchungsausschuss sei aber ein Instrument, Fakten zu ermitteln und sachlich aufzuarbeiten.

Reinhard Grindel, der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Gorleben-Untersuchungsausschuss, verweist darauf, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung im Juni 2000 bei der Erlassung des Gorleben-Moratoriums erklärt habe: "Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv bestätigt." Somit stünden die bisher gewonnenen geologischen Befunde der sogenannten Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben "nicht entgegen". Und Ende 2005, noch unter Verantwortung des SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder und seines grünen Umweltministers Jürgen Trittin, sei das Bundesamt für Strahlenschutz in seinem Synthesebericht zu dem Schluss gekommen, dass der Salzstock für die Einlagerung hoch radioaktiver Abfälle infrage komme, dass eine abschließende Bewertung aber erst durch eine spezifische Erkundung unter Tage möglich sei. Die man jetzt vornehmen werde.

Grindel sagte dem Abendblatt gestern, die Union werde den Vorwurf der Manipulation nicht auf sich sitzen lassen: "Wir schließen nicht aus, Trittin und Gabriel als Zeugen zu laden. Dort sollen uns die beiden ehemals zuständigen Minister mal ihren plötzlichen Sinneswandel erklären. SPD und Grüne haben sieben Jahre lang Einsicht in sämtliche Gorleben-Akten gehabt. Der Gorleben-Untersuchungsausschuss wird nichts zu Tage fördern, was man nicht schon wusste."

Grindel verwies in diesem Zusammenhang auf jüngste Umfragen, aus denen hervorgeht, dass die ungeklärte Endlagerfrage 80 Prozent der Deutschen beunruhigt. "Das heißt, die Endlagerfrage ist ein Dreh- und Angelpunkt in der aktuellen Diskussion um die AKW-Laufzeiten. Ich warne aber vor dem Versuch, Gorleben zu skandalisieren, indem man immer und immer wieder Behauptungen aufstellt, die längst widerlegt sind."

Die Zielsetzung von SPD und Grünen sei offenkundig: "Die beiden Parteien wollen den Eindruck in der Bevölkerung vertiefen, dass die weitere Nutzung der Atomkraft nicht zu verantworten ist, weil es keine Lösung der Endlagerfrage gibt." Für diese Problematik sei der Untersuchungsausschuss aber nicht zuständig. "Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es nicht, ein Endlager zu erkunden. Aufgabe eines Untersuchungsausschusses ist es, abgeschlossenes Regierungshandeln zu erkunden."