Hamburg. Am Anfang stand ein tiefer Zweifel. Als sich bei der Papstwahl am 19. April 2005 das Votum abzeichnete, hatte Kardinal Joseph Ratzinger das Gefühl, ein Fallbeil stürze auf ihn herab. "Ich habe mit tiefer Überzeugung zum Herrn gesagt: Tu mir dies nicht an! Du hast Jüngere und Bessere, die mit ganz anderem Elan und mit ganz anderer Kraft an diese große Aufgabe herantreten können", erzählte er später.

Am Freitag wurde Benedikt XVI. 83 Jahre alt, am Montag ist er fünf Jahre im Amt. Und fünf Jahre nach der Jubel-Überschrift "Wir sind Papst!" in der "Bild-Zeitung" könnten die Urteile über sein Pontifikat nicht gegensätzlicher sein. Während der Kölner Kardinal Joachim Meisner in einer Gratulation schrieb, dass "sehr, sehr viele Menschen hier in Deutschland und vor allem auch in der Kirche hierzulande nach wie vor glücklich sind, einen solchen Papst zu haben", zog der jüdische Historiker Michael Wolffsohn in der "Welt" eine negative Bilanz: "Dieser Papst hat Juden gegenüber seine Chancen verpasst, islamische Fundamentalisten unfreiwillig gestärkt und in dieser Hinsicht sein Pontifikat verpatzt." Es fehle an Präzision in seinen Aussagen, er hinterlasse "einen interreligiösen Scherbenhaufen".

Es war ein harter Wechsel: Auf den charismatischen Papst Johannes Paul II. (1920-2005) aus Polen, der mit missionarischem Eifer und offenen Armen auf die Gläubigen zuging, folgte mit Benedikt XVI. ein gelehrter Professor, der als Präfekt der Glaubenskongregation im Ruf eines rigorosen Dogmenwächters stand. Zu Beginn seines Pontifikats zeigte er sich jedoch begeisterungsfähig und offen. Er genoss sichtlich den Zuspruch beim katholischen Weltjugendtag im Sommer 2005 in Köln, und er lud seinen einstigen Weggefährten und später erbitterten Gegner Hans Küng zum versöhnlichen Gespräch nach Castel Gandolfo ein.

Aber die Hoffnung, er könnte doch ein Brückenbauer sein, wurde getrübt. Bei einem Vortrag an der Universität Regensburg im September 2006 zitierte Benedikt eine Textstelle eines mittelalterlichen Kaisers, wonach der Islam "nur Schlechtes und Inhumanes" mit sich gebracht habe. Schon das Zitieren löste die heftigsten Proteste der islamischen Welt seit den Mohammed-Karikaturen aus. Benedikt musste sich mehrfach entschuldigen.

Den Misstönen folgten weitere. Ob es nun Benedikts Äußerungen über die Christianisierung der lateinamerikanischen Ureinwohner waren oder die Wiederzulassung der lateinischen Messe und die Karfreitagsfürbitte zur Missionierung der Juden: Kritiker fragten sich, ob sich hier nur eine gewisse Ungeschicktheit zeige, mit der sich der brillante Theologe außerhalb des vertrauten Raumes Kirche bewegte. Dass ein päpstlich gebilligtes Dokument 2007 bekräftigte, die protestantischen Kirchen seien keine Kirchen im eigentlichen Sinne und nur die katholische sei die einzig wahre, wurde als klarer Rückschritt in der Ökumene aufgefasst.

Geradezu fatal wirkte vor diesem Hintergrund, dass Benedikt im Januar 2009 die Exkommunizierung von vier Bischöfen der reaktionären Piusbruderschaft aufhob. Einer von ihnen war Richard Williamson, der die Vergasung von sechs Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg leugnet. Ausgerechnet ein deutscher Papst nahm einen Holocaust-Leugner wieder in die Kirche auf: ein verheerendes Signal, das nicht nur das Verhältnis des Vatikans zu den Juden belastete. Zuletzt schließlich sorgte auch Benedikts langes Schweigen zu den Missbrauchsfällen in Deutschland für großen Unmut.

Diese Stimmungseintrübung fällt auch in Rom auf. In einem sehr ungewöhnlichen Schritt hat die vatikanische Kleruskongregation rund 400 000 Geistliche weltweit aufgerufen, im Juni auf dem Petersplatz an einer Solidaritätsdemonstration für den Papst teilzunehmen.

Der Tübinger Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng geht noch weiter: Benedikt finde nicht die Wege, um die Kirche aus ihrer tiefsten Vertrauenskrise seit der Reformation zu führen, schrieb er in einem offenen Brief an die Bischöfe. Sie sollten auch gegen den Willen des Papstes Reformen einleiten und nicht wie "Statisten" wirken.