CDU und SPD haben für die heiße Wahlkampfphase ihre Themen gefunden: den Arbeitsmarkt und die Rente.

Hamburg/Düsseldorf. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) fordert eine steuerfinanzierte Mindestrente, seine Kontrahentin Hannelore Kraft (SPD) sagt der Befristung von Arbeitsverträgen den Kampf an. Und in Berlin wollen CDU und FDP beweisen, dass ihre Pläne in der Gesundheitspolitik alles andere als ungerecht sind. Vier Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stellen sich die Parteien inhaltlich auf: mit einem klaren Schwerpunkt auf die Sozialpolitik.

Es wird ernst im bevölkerungsreichsten Bundesland. Am Wochenende eröffneten CDU und SPD mit Großveranstaltungen ihre heiße Wahlkampfphase. Regierungschef Rüttgers hatte sich vor 6000 Anhängern in der Arena Oberhausen seine Gastredner sorgfältig ausgewählt: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer waren gekommen, um zu unterstreichen, wofür Rüttgers vor der Wahl, die auch über den Fortbestand der schwarz-gelben Bundesratsmehrheit entscheidet, stehen will: als soziales Gewissen der CDU und alleiniger christdemokratischer Arbeiterführer. Wie sozial Rüttgers ist, das sollten aber Seehofer und von der Leyen dem Publikum sagen. Der CSU-Chef betonte, eine "realistische Sozialpolitik" werde nicht von den Linken, sondern in der Union betrieben. Und die Arbeitsministerin lobte die Verdienste Rüttgers' beim Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren.

Zuvor hatte Rüttgers selbst der "Bild"-Zeitung gesagt, dass die Betreuung von Langzeitarbeitslosen verbessert werden müsse. Und er forderte: "Ein zentrales Zukunftsprojekt für mich ist die bedarfsorientierte und steuerfinanzierte Mindestrente." Er bezog sich mit seiner Forderung auf ein Modell, das der ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup vor zwei Jahren ins Gespräch brachte. Demnach müssten besonders niedrige Rentenansprüche, die dem Niveau der Grundsicherung entsprechen, aus Steuermitteln aufgestockt werden.

Auch die SPD geht in ihrem einstigen Stammland NRW mit einem Sozialthema in die Offensive. Spitzenkandidatin Kraft kündigte für den Fall ihres Wahlsiegs eine Bundesratsinitiative der SPD-regierten Länder gegen die Befristung von Arbeitsverträgen an. "Wir würden mit Sicherheit eine Bundesratsinitiative gegen die Pläne der Bundesregierung zur völligen Unterhöhlung des Kündigungsschutzes starten", sagte Kraft dem "Tagesspiegel". Wenn die Bundesregierung die Zuverdienstmöglichkeiten bei Hartz IV anhebe und die Kettung von Zeitverträgen erlaube, werde sich der Rückgang der festen Jobs in den kommenden Jahren weiter verschärfen, so Kraft. Bei ihrem Wahlkampfauftakt in Düsseldorf knöpfte sie sich vor 3000 Anhängern auch die Gesundheitspläne der Bundesregierung vor. Kraft kündigte an, im Bundesrat die geplante Kopfpauschale von Schwarz-Gelb kippen zu wollen. Gesundheit dürfe "kein Luxus" sein. Gleichzeitig warben CDU und FDP einmal mehr um ihre geplante Kopfpauschale und betonten, dass diese gar nicht als einkommensunabhängiges Modell geplant sei. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe schrieben in der "Welt am Sonntag": "Eine Prämienzahlung pro Kopf wird es nicht geben." Wer anderes behaupte, wolle Neid und Angst schüren.

Die Nervosität der Parteien steigt. Auch die jüngste Wahlumfrage von Infratest dimap bietet kaum Orientierung: Weder die Koalition aus CDU und FDP noch ein Bündnis aus SPD und Grünen hat derzeit eine absolute Mehrheit. Die CDU kommt auf 38 Prozent, die SPD auf 34. Die FDP kommt nur auf sieben Prozent, die Grünen liegen bei zwölf, die Linkspartei bei sechs Prozent. Eine Mehrheit gäbe es nur für eine Große Koalition, für eine Koalition aus CDU und Grünen sowie für ein Bündnis aus SPD, Grünen und der Linkspartei.