Berlin. Horst Köhler hätte es wissen müssen. Am Benzinpreis haben sich schon viele deutsche Politiker die Finger verbrannt. So stand etwa die rot-grüne Regierung unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) jahrelang unter Feuer, weil in mehreren Schritten die Ökosteuer eingeführt wurde und den Benzinpreis steigen ließ.

Nun hat der Bundespräsident in einem langen Interview im "Focus" politisch Stellung bezogen - nachdem ihm vorgeworfen wurde, er schweige in einer Zeit, in der Deutschland über die Zukunft von Gesundheits- und Sozialsystemen diskutiert. "Wir sollten zum Beispiel darüber nachdenken, ob der Preis von Benzin nicht tendenziell höher als tendenziell niedriger sein sollte." Der Preis sei das stärkste Signal, damit Menschen ihr Verhalten änderten, sagte Köhler.

Eines hat der Bundespräsident mit seinem Vorstoß immerhin erreicht: CSU und FDP sind sich in der Kritik an ihm einig wie sonst selten seit Beginn der Koalition. "Die Benzinpreise sind schon sehr hoch", sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). "Mobilität für Arbeitnehmer gerade im ländlichen Raum muss noch bezahlbar bleiben." Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) schloss sich der höflich formulierten Kritik an: "Horst Köhler ist ein exzellenter Bundespräsident. Und ich freue mich über jede seiner Wortmeldungen." Dann aber fügte er hinzu: "Ich erlebe als Bürger dieses Landes, dass die Frage, ob der Benzinpreis zu hoch oder zu niedrig sei, längst entschieden ist. Er ist eher zu hoch." Hessens Ministerpräsident Roland Koch sagte kühl am Rande eines Kleinen Parteitags: "Das haben wir alle wohl gelesen, was er gesagt hat. Dabei soll es dann auch erst mal bleiben." Gelegenheit zur Aussprache gibt es heute Abend, wenn das Bundeskabinett zu Gast bei Köhler im Schloss Bellevue sein wird.

Die Grünen lobten dagegen die Forderung nach höheren Benzin-Preisen. Sie komme aber "spät", sagte Fraktionschef Jürgen Trittin der "Frankfurter Rundschau". Grünes Wachstum habe "nichts mit der Festsetzung von Benzinpreisen zu tun. Die richtige Schlussfolgerung lautet vielmehr: Wir müssen weg vom Öl, weg von Benzin und Diesel. Denn gegen das Preisdiktat der Mineralölkonzerne hilft nur, sich von ihnen unabhängig zu machen."

Auch Umweltschutz-Ratgeber von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellten sich ausdrücklich gegen die Regierungs-Kritik an Köhler. Der Vorsitzende des Rates für Nachhaltige Entwicklung, Volker Hauff, sagte: "Die bisherigen Stellungnahmen der politisch Verantwortlichen zu den Äußerungen des Bundespräsidenten sind ein Armutszeugnis, denn sie greifen viel zu kurz. Es ist höchste Zeit, gründlicher nachzudenken." Auch der umweltorientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) stellte sich ebenfalls hinter Köhler und erklärte: "Die Ökosteuer hat sich bewährt." Der gesamte Spritverbrauch sei seitdem deutlich zurückgegangen.

In Deutschland liegt der Benzinpreis derzeit im Schnitt bei knapp 1,40 Euro je Liter. Anfang Juli 2008 war er mit der Verteuerung des Rohöls auf den Spitzenwert von 1,59 Euro geklettert. Mittlerweile liegt der Spritpreis wieder auf dem Niveau vom Herbst 2008.