Der Parteichef bekommt Feuer aus den eigenen Reihen. Hessens Landesvorsitzender Jörg-Uwe Hahn empfiehlt eine Auszeit. Schleswig-Holsteins Fraktionschef Wolfgang Kubicki nennt bereits mögliche Nachfolger für Westerwelle.

Kiel/Hamburg. Solche Ratschläge von Landespolitikern hat sich Guido Westerwelle lange nicht gefallen lassen müssen. Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn und der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef haben eine Debatte um ihren Parteivorsitzenden losgetreten, die weit über die bisher geäußerte interne Kritik an Westerwelle hinausgeht.

In Kiel denkt Kubicki inzwischen offen über einen Nachfolger für Westerwelle als Parteichef nach. Der Fraktionschef äußerte die Vorstellung, dass Gesundheitsminister Philipp Rösler oder Generalsekretär Christian Lindner in einigen Jahren den Parteivorsitz übernehmen könnten. "Ein geborener Nachfolger für Guido Westerwelle drängt sich derzeit nicht auf", sagte Kubicki dem Abendblatt. "Wir haben aber Persönlichkeiten, die sich dahingehend entwickeln können." Das gelte für Rösler, der "fix im Kopf" und "durchsetzungsstark" sei, ebenso wie für Lindner. "Der Generalsekretär ist ein junger Mann mit hoher Sprach- und Formulierungskunst."

Kubicki betonte, dass ein Wechsel im Parteivorsitz gegenwärtig kein Thema sei. "Für eine Übergangzeit ist Guido Westerwelle als Bundesvorsitzender kaum zu ersetzen." Ohne ihn würde die Kampfkraft der FDP sinken. Deshalb könne man nur beten, dass Westerwelle durchhalte. "Das tägliche mediale Trommelfeuer würde mich dazu veranlassen, darüber nachzudenken, ob ich mir das noch antun will", so Kubicki. "Der Bundsaußenminister hat aber eine andere physische und psychische Statur als ich." Die zahlreichen Attacken gegen Westerwelle, der wegen seiner Begleitungen bei Reisen von der Opposition massiv kritisiert wird, nannte der Kieler Anwalt "haarsträubend". Es fehle nur noch eine Schlagzeile: "Der Druck auf Westerwelle wächst - er hat FDP gewählt." Zuvor hatte Kubicki in einem "Zeit"-Interview gesagt, wenn die Kampagne gegen den Außenminister so weitergehe, "würde ich mir Sorgen um ihn machen". Er habe Westerwelle kürzlich geraten, besser auf seine "Sprachmuster" aufzupassen. Und die Zeit, bis ein Nachfolger gefunden sei, müsse "Guido also mindestens noch überstehen".

In Hessen riet Justizminister und Vize-Regierungschef Hahn dem FDP-Vorsitzenden gar zu einer Auszeit. "Er sollte besser mal zwei Wochen Urlaub machen", sagte Hahn. Westerwelle sei in den vergangenen Wochen zu stark eingespannt gewesen. "Er hatte viel um die Ohren, und es ist nicht alles glücklich gelaufen." Eine Verschnaufpause sei in dieser Situation anzuraten: "Handy aus und weg." Dies sei aber kein Aufruf zu einem Rücktritt oder Rückzug, betonte der hessische FDP-Chef. Vor wenigen Wochen hatte NRW-Landeschef Andreas Pinkwart Westerwelle im Abendblatt geraten, die Macht in der FDP zu teilen.

In der niedersächsischen FDP wurden die neuen Ratschläge aus Kiel und Wiesbaden mit Befremden aufgenommen. Der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Jörg Bode sagte dem Abendblatt, er könne "nur raten, miteinander zu reden statt übereinander". Bode warnte seine Partei davor, Westerwelle in Frage zu stellen: "Statt einer FDP-internen Führungsdebatte sollten wir lieber darüber diskutieren, wie in diesem Land mit unterschiedlichen Auffassungen umgegangen wird - und der Freiheit, diese zu äußern. Wer jetzt sein Image auf Kosten des Außenministers aufpolieren will, hilft Deutschland nicht weiter."

Doch Kubicki ging noch weiter, als über Westerwelles Nachfolge zu reden. Er nahm sich weitere Spitzenliberale vor. "Wir haben Protagonisten in der Partei die - weil sie keinen Arsch in der Hose haben - immer behaupten, die anderen seien schuld." Er nannte in dem Zusammenhang die beiden FDP-Vize Pinkwart und Cornelia Pieper - "meine besondere Freundin im Bundesvorstand". Ins Visier nahm der Fraktionschef auch CDU und CSU. Man werde gegenüber der Union "jede Hemmung fallen lassen", falls die FDP bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai erfolgreich abschneidet. "Bis auf die Schwarte" werde man auf die CSU eindreschen. "Als Ersten" werde die FDP sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt nach dem Motto vornehmen: "Feuer frei von jedem. Ich freue mich schon auf jede Sottise." Auch spielte Kubicki auf ein außereheliches Kind von CSU-Chef Horst Seehofer an. Seehofer könne dann gefragt werden: "Hat Ihre Abneigung gegen die Kopfpauschale (im Gesundheitswesen) auch damit zu tun, dass Ihre Familienplanung etwas aus dem Ruder gelaufen ist?"

Für die CSU antwortete Dobrindt postwendend: "Dem Kubicki ist wohl die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen. Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki kann sich die FDP nur schämen."