Die Regierung plant offenbar einen radikalen Umbau des milliardenschweren Arzneimittelmarktes. Kosten bei Medikamenten senken.

Berlin. Das Bundesgesundheitsministerium will durch die Reform bei den Arzneimittelkosten der Krankenkasssen offenbar zwei Milliarden Euro jährlich einsparen. Eine von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) eingesetzte Expertengruppe habe ein Konzept zur Kostendämpfung bei innovativen Medikamenten vorgelegt, berichtete der „Focus“ vorab. Ein Sprecher Röslers kündigte „mutige Schritte“ zur Kostensenkung bei den Medikamenten an.

Wie in anderen Ländern üblich sollten die Hersteller künftig mit den Krankenkassen über niedrigere Arzneimittelpreise verhandeln müssen, hieß es in dem Bericht weiter. Daneben drohe das Ministerium den Pharmafirmen mit festgesetzten Höchstpreisen, wenn sie sich nicht mit den Krankenkassen einigen sollten.

Das Ministerium wolle die Pharmahersteller verpflichten, parallel mit der Zulassung eines Präparats eine Nutzenbewertung vorzulegen, schrieb „Focus“. Diese bestehe aus einer von ihnen selbst finanzierten Studie, die zeigt, für welche Patienten und Erkrankungen ein zusätzlicher medizinischer Nutzen besteht. Allerdings solle nicht mehr der Hersteller den Preis für ein Medikament bestimmen, sondern zu Verhandlungen darüber gezwungen werden. Der Spitzenverband der Krankenkassen solle Rahmenverträge erarbeiten, und die Versicherungen handelten dann die Details mit den Firmen aus.

Im Falle der Einigung bleibe ihnen eine Kosten-Nutzen-Bewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erspart. Dessen Bewertung hatte mitunter bewirkt, dass ein Präparat nicht mehr von den Kassen bezahlt wird. Im Extremfall drohe der Industrie ein festgesetzter Höchstpreis. Die weitreichenden Regelungen sollen auch für bereits im Markt befindliche Präparate gelten.

Röslers Sprecher Christian Lipicki bestätigte die Angaben des „Focus“ zwar nicht, verwies aber auf die laufenden Sparbemühungen. „Der Minister geht mutige Schritte“, erklärte er und fügte hinzu: „Das ist seine Politik. Auch im Pharmabereich, auch gegen Widerstände.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erteilte einer baldigen Einführung der von der FDP geforderten Kopfpauschale im Gesundheitswesen eine Absage. „Der Begriff Kopfpauschale führt in die Irre“, sagte Merkel der „Frankfurter Rundschau“ und dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. In dieser Legislaturperiode gehe es darum, „mit den steigenden Kosten im Gesundheitswesen anders umzugehen als bisher, also nicht die Arbeit in Deutschland weiter zu verteuern“. Die Koalition konzentriere sich auf die Zeit bis 2013. „Wir gehen also bei einer Veränderung schrittweise vor und müssen nicht schon alle Unterschiede, die es mit der FDP-Programmatik auf lange Frist gibt, auflösen.“

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig kritisierte den Gesundheitsminister. „Herr Rösler gibt viele Interviews, aber er tut nichts gegen die ausufernden Kosten im Gesundheitssystem“, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern der in Potsdam erscheinenden „Märkischen Allgemeinen Zeitung“. Die von Rösler favorisierte Kopfpauschale schaffe eine „Drei-Klassen-Medizin“, kritisierte Schwesig. Der Minister „sollte seine Zeit nicht länger mit solchen Plänen verplempern, sondern lieber darüber nachdenken, wie man etwa den Ärztemangel in ländlichen Gegenden beseitigen kann“.