Niederländische Koalition am Wochenende zerbrochen. Großkundgebung in Berlin gegen die Bundeswehr-Mission am Hindukusch.

Berlin. "Kein Soldat mehr. Dem Frieden eine Chance - Truppen raus aus Afghanistan." Unter diesem Motto haben am Wochenende in Berlin 1500 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet gegen den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch protestiert. Der Theologe Eugen Drewermann forderte ein sofortiges Ende des Militäreinsatzes. "Wir jagen nicht die Terroristen, sondern wir sind selber Terroristen in Afghanistan", rief Drewermann den Demonstranten zu, die den Protestaufrufen verschiedener Friedensinitiativen und der Linkspartei gefolgt waren. Afghanistan habe in 3000 Jahren seiner Geschichte kein einziges anderes Land angegriffen. "Deshalb fordern wir unsere eigenen Soldaten auf zu tun, was manche in Amerika längst getan haben: den Befehl zum Töten zu verweigern, zu desertieren gegen den eigenen Fahneneid."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte die Demonstranten davor, "naiv zu sein". Nach den Worten des FDP-Politikers würde "kein einziger Brunnen gebohrt, es würde kein Krankenhaus gebaut, und es würde kein Mädchen zur Schule gehen können, wenn wir jetzt einfach kopflos abziehen und Afghanistan sich selbst überlassen würden". Außerdem bedeute ein Abzug ein "erhebliches Risiko" für die Sicherheit in Europa.

Der Deutsche Bundestag wird am kommenden Freitag über die geplante Truppenaufstockung von 4500 auf 5350 Bundeswehrsoldaten abstimmen. Aber während die Mehrheit für das deutsche Isaf-Mandat gesichert scheint - CDU/CSU und FDP verfügen im Parlament über die Majorität der Stimmen -, ist die niederländische Regierung an der Afghanistan-Frage zerbrochen. Übernächtigt verkündete Jan Peter Balkenende am frühen Sonnabendmorgen das Aus seines Kabinetts.

"Ich stelle mit Bedauern fest", sagt der konservative niederländische Ministerpräsident, "dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Christdemokraten, Sozialdemokraten und der Christen-Union nicht mehr möglich ist." Balkenende warf den Sozialdemokraten vor, die Koalition durch ihre Weigerung, der Verlängerung des Afghanistaneinsatzes zuzustimmen, mit einer "politischen Hypothek" belastet zu haben. Die Sozialdemokraten fühlten sich hingegen von Balkenende gelinkt: Sie seien 2007 unter der Voraussetzung in die Regierung gegangen, dass die niederländischen Truppen spätestens Ende 2010 aus Afghanistan abgezogen würden, erklärte Vizepremier Wouter Bos. Die Abmachung sei Gesetz. Noch weiß niemand, wie die nächste niederländische Regierung aussehen wird, aber daran, dass sie in der Afghanistan-Politik eine Kehrtwende einleiten wird, glaubt niemand. Denn auch die bisherigen Oppositionsparteien sind mehrheitlich für die Heimkehr der 1950 Soldaten.

Die deutschen Parlamentarier werden am Freitag namentlich abstimmen. Es wird damit gerechnet, dass nicht nur die Abgeordneten von Union und FDP dem neuen Isaf-Mandat zustimmen werden, sondern mehrheitlich auch die Sozialdemokraten. Die SPD-Bundestagfraktion wird morgen eine Probeabstimmung machen. Bislang haben nur etwa zwei Dutzend der insgesamt 146 SPD-Abgeordneten angedeutet, dass sie mit Nein stimmen wollen.

Renate Künast hat ihren Parteifreunden inzwischen nahegelegt, sich am Freitag der Stimme zu enthalten. Es sei ihr "zu windig, wie hier einfach 850 Soldaten mehr gefordert werden", sagte die Bundestagsfraktionvorsitzende der Grünen im Deutschlandfunk. "Dieses Mandat hat ein wenig Licht, aber immer noch ein wenig Schatten." Zwar wolle Deutschland "endlich international im zivilen Aufbau mehr tun", sagte Künast mit Blick auf die Verdoppelung des Wiederaufbau-Budgets auf 430 Millionen Euro, aber es fehle ein Konzept.

Derzeit heißt das Konzept in Afghanistan vor allem Kampf: Die internationalen und afghanischen Truppen erzielten im Rahmen ihrer jüngsten Großoffensive dabei in der südafghanischen Provinz Helmand einen Teilerfolg. General Muhaidin Ghori erklärte, die Truppen stünden "auf dem Markt" der Stadt Mardscha. Die Fahndung nach flüchtigen Taliban halte an. Die Kommandozentrale der Nato in Kabul sprach von "Fortschritten", zugleich aber auch von "Widerstand". Seit dem Beginn der Offensive sind zwölf Nato-Soldaten und ein afghanischer Soldat ums Leben gekommen. Nach jüngsten afghanischen Regierungsangaben wurden 15 Zivilisten und 51 Taliban getötet. Staatspräsident Hamid Karsai rief die internationalen Truppen erneut zur Vorsicht auf.