Der konservative CDU-Flügel setzt Hoffnungen auf den jungen Regierungschef. Der will zuerst das Ansehen seines Landes aufpolieren.

Hamburg. Die Vergleiche mit Franz Josef Strauß müsste er langsam satthaben. Immer wieder hört Stefan Mappus den Verweis auf die körperliche Ähnlichkeit und die Leidenschaft, die ihn mit dem legendären bayerischen Regierungschef verbindet, die Hobbyfliegerei. Aber die Vergleiche gefallen dem 43-Jährigen. Er verehrt Strauß, und er weiß: Wer den berühmten CSU-Politiker heranzieht, um Mappus zu beschreiben, stuft den neuen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg in die Liga der ganz Mächtigen ein. Und dass er nach ganz oben gehört, findet der CDU-Politiker schon lange.

Um bei seiner Wahl im Stuttgarter Landtag auch ja nichts anbrennen zu lassen, wählte Mappus sich gestern kurzerhand selbst, wie er danach freudig kundtat: "Ich habe mich noch nie enthalten. Ich bin für etwas oder gegen etwas." Für Mappus waren nicht nur er selbst, sondern weitere 82 Abgeordnete - nur eine Stimme aus dem schwarz-gelben Lager fehlte zum perfekten Ergebnis.

Auf seine Gefühlslage angesprochen, sagte er: "Ich bin ja durch ein neues Amt kein anderer Mensch geworden." Er habe nicht vor, sich verbiegen zu lassen. Das hätte seine Anhänger auch zutiefst irritiert. Denn Mappus ist mit seinem Amtsantritt weitaus mehr als nur der jüngste Regierungschef in Deutschland. Er füllt auf dem bundespolitischen Personaltableau der Christdemokraten eine Lücke, die gerade zuletzt vom rechten Parteiflügel laut beklagt wurde. Der 43-Jährige gilt als dessen konservativer Hoffnungsträger, als einer, der schwarz-grüne Gedankenspiele ablehnt und die CDU nicht wie die Bundeskanzlerin in der Mitte der Gesellschaft, sondern ein gehöriges Stück weiter rechts positioniert.

Es verwunderte gestern kaum, dass nicht CDU-Chefin Angela Merkel selbst, sondern ihr Generalsekretär Hermann Gröhe die Glückwünsche aus der Hauptstadt gen Stuttgart schickte. Merkel hat nicht vergessen, dass Mappus vor zweieinhalb Jahren Mitautor einer 16-seitigen Mahnschrift war, die ihr gar nicht gefiel. "Moderner bürgerlicher Konservatismus - Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muss" hieß das Dokument, dem Leitlinien konservativen Handelns zu entnehmen waren, die über die Parteiprogramme von CDU und CSU hinausgingen.

Mappus, damals noch Fraktionschef im Landtag, hatte den Text zusammen mit Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union, mit Markus Söder, damals noch CSU-Generalsekretär, und dem CDU-Generalsekretär von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, verfasst. Für die Planung hatten sie sich vorher im Berliner Café Einstein getroffen. Seitdem sagt man dem Quartett nach, damals eine "Einstein-Connection" gegründet zu haben: ganz nach dem Vorbild des "Anden-Pakts", einem angeblich vor 30 Jahren gegründeten Netzwerk von inzwischen führenden Unionspolitikern, dem auch Günther Oettinger angehören soll. Dass dieser mit seiner Berufung zum EU-Kommissar viel früher als erwartet seinem schon vor Jahren als Irgendwann-Nachfolger gehandelten Mappus den Weg frei räumen würde, spült nun den ersten Vertreter der "Einstein-Connection" in die erste Reihe der Politik.

Mappus' Karriere liest sich wie ein Zeugnis politischer Strebsamkeit. Mit 27 Kreisvorsitzender der CDU in Pforzheim, mit 29 Abgeordneter im Landtag, mit 32 dann die Berufung zum Staatsekretär im Umweltministerium, sechs Jahre danach wird er in dem Haus Minister und kurze Zeit später Fraktionsvorsitzender. Sein Förderer war sein Vorvorgänger Erwin Teufel - und Günther Oettinger sein Rivale.

Mappus wirkt wie der zutiefst bodenständige Gegenentwurf zu seinem Vorgänger, der mit einem Hang zu peinlichen Auftritten etwa mit Teesiebbrille auf der Nase oder Bier aus einem Herrenschuh trinkend sein Ansehen schleichend ramponierte. Mappus hingegen will sich als Landesvater auch als vorbildlicher Familienvater in Szene setzen. An dem vorgelebten Konservatismus sollen keine Zweifel entstehen.

Dass sich Mappus in den vergangenen Jahren gegen den Willen Oettingers sowohl als Fraktionschef als auch Landes-Vize der CDU durchsetzen konnte, sagt viel über den flammenden Ehrgeiz des neuen Regierungschefs aus. "Mappi Schnappi, das Krokodil" nannte ihn einmal FDP-Justizminister Ulrich Goll. Seitdem wird Mappus das Bild des Brachialpolitikers nicht mehr los. Es gilt als eine Frage der Zeit, bis Mappus in Richtung schwarz-gelber Bundesregierung stänkern wird. Laut dem baden-württembergischen CDU-Generalsekretär Thomas Strobl gehört Mappus zur "Abteilung deutliche Aussprache". Vor Kurzem umriss Mappus schon einmal, wie er von nun an die Belange seines Landes zu kommunizieren gedenkt: "Die Menschen wollen keine abgeschliffenen Politiker, die so filigran reden, dass hinterher alles hineininterpretiert werden kann", sagte er in einem Radio-Interview mit dem SWR. Er habe jedenfalls nicht die Absicht, "irgendjemanden zu kopieren". Mappus gibt offen zu, Oettingers blasse Ära schnell vergessen machen zu wollen. "Ich sehe Optimierungsbedarf in der öffentlichen Wahrnehmung Baden-Württembergs in der Bundespolitik."

Für seinen Kurs hat Mappus bedeutende Unterstützer in Berlin. Fraktionschef Volker Kauder und Bildungsministerin Annette Schavan gehörten zu seinen wichtigsten Fürsprechern, als es nach der Ankündigung des Oettinger-Abgangs einer schnellen Nominierung bedurfte. Da konnte selbst die Kanzlerin nicht mehr Nein sagen.