CDU und Grüne nähern sich kurz vor der Landtagswahl in NRW weiter an - und bei der FDP liegen inzwischen die Nerven blank.

Berlin. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass bei den Liberalen die Nerven blank liegen, dann hat ihn die Sitzung des Koalitionsausschusses gestern früh geliefert. Laut geworden sei der Parteivorsitzende Guido Westerwelle da, sehr laut sogar. Auch die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger sei aufgebracht gewesen, hieß es übereinstimmend.

Stein des Anstoßes waren die Äußerungen von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zur Zukunft der Kernenergie. Was Röttgen in seinem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" zu Protokoll gegeben habe, gebe nicht die Linie der Koalition wieder, soll sich Westerwelle beklagt haben. Merkel hingegen habe versucht, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen: Norbert Röttgen sei ja gar nicht anwesend, da sei es schlechter Stil, ihn weiter zu kritisieren. Doch der Ärger der FDP-Funktionäre richtet sich nur vordergründig gegen Röttgen und die von ihm demonstrierte Distanz zur Atomenergie. Was die FDP in helle Aufregung versetzt, sind die Avancen, die die CDU den Grünen macht. Das Interview des Umweltministers steht symbolisch für diese Entwicklung. Er ist einer von Merkels Männern, die neben CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe den Auftrag haben, die Partei so weit zu öffnen, dass Schwarz-Grün auch im Bund zur Alternative heranreifen kann.

Dass der Weg vom Wunschpartner zum Auslaufmodell nicht weit sein muss, zeigt die brisante Situation in Nordrhein-Westfalen, wo am 9. Mai gewählt wird. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers legt keine Berührungsängste mit den Grünen an den Tag - umgekehrt gilt dasselbe. Die Grünen haben auf einem Landesparteitag bereits formal den Weg frei gemacht für ein Bündnis mit den Christdemokraten. Sollte es bei den Wahlen wegen der Schwäche der FDP nicht länger für Schwarz-Gelb reichen, stünde die Öko-Partei also parat. Das wiederum könnte Ausstrahlung auf die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz 2011 haben - und in der Folge auch auf den nächsten Urnengang im Bund. "Kein Wunder, dass die FDP nervös wird", heißt es in Unionskreisen dazu.

Das Plazet der Berliner Parteizentrale haben sich die NRW-Grünen schon vor Monaten geholt. Zwar lautet offiziell die Ansage, man müsse Rüttgers in den Koalitionsverhandlungen mindestens so viel abringen, wie es die Parteifreunde an der Saar bei Peter Müller vollbracht hätten. Doch die Vorstellung, wegen der dann weggebrochenen schwarz-gelben Bundesratsmehrheit faktisch fortan in Berlin mitzuregieren, gilt den Grünen als Verlockung. Kein zustimmungspflichtiges Gesetz mehr, bei dem sie nicht gehörig mitreden könnten - die marginalisierte Rolle der Grünen im Bund würde sich über Nacht ins Gegenteil verkehren.

In der FDP ahnt man, dass es dann mit den Prestigevorhaben Steuerreform und Kopfpauschale im Gesundheitswesen vorbei wäre. Beides Projekte, die in der Union ohnehin umstritten sind. Merkel hätte unter Verweis auf das Veto der Grünen auf einen Schlag viel Ärger vom Hals. Das könnte der Kanzlerin über den Verlust der schwarz-gelben Gestaltungsmehrheit im Bundesrat hinwegtrösten - und ihr helfen, die FDP zu disziplinieren, heißt es. Kein Zufall, dass Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki in der "Leipziger Volkszeitung" wütete, nicht SPD oder Grüne seien die größten Widersacher der FDP, sondern CDU und CSU.

Neue Freundschaft zwischen Schwarzen und Grünen? In Bonn hat sich eine Handvoll Abgeordneter beider Parteien in den Neunzigern immer mal wieder im Ristorante Sassella getroffen - was damals wie ein Tabubruch wirkte und ihnen das Etikett "Pizza-Connection" einbrachte. Der Sassella-Betreiber hat im Berliner Regierungsviertel inzwischen die Antica Lasagneria aufgemacht. Die soll in diesen Tagen besonders gut besucht sein ...