Liberale sind skeptisch. Saarbrücken sei nur “ein erster Versuch“, sagt FDP-Generalsekretär Christian Lindner.

Berlin. Als der Christdemokrat Peter Müller Anfang November im Saarland die erste Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen bildete, war das eine mittlere politische Sensation. Kaum zwei Monate später spricht der saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich bereits von "Normalität", und er empfiehlt seinen Parteifreunden sogar, dem saarländischen Beispiel zu folgen. Vor allem den Parteifreunden in Nordrhein-Westfalen, wo am 9. Mai die nächste Landtagswahl ansteht.

Der Deutschen Presse-Agentur sagte Ulrich, mit der Jamaika-Koalition im Saarland sei "ein Tor aufgestoßen" worden. "Es musste einmal eine Hürde überwunden und die Diskussion in eine gewisse Normalität hineingebracht werden", so der Grünen-Politiker weiter. "Das ist die eigentliche Leistung, die wir im Saarland vollbracht haben." Das saarländische Beispiel werde es den Beteiligten andernorts leichter machen, die Debatte über schwarz-grün-gelbe Regierungsbildungen "positiv" zu führen. "In Nordrhein-Westfalen ist nicht zu übersehen, dass es dort auf kommunaler Ebene eine zunehmende Zahl schwarz-grüner Bündnisse gibt", fügte Ulrich hinzu. "Das macht deutlich, dass in Nordrhein-Westfalen an der Basis sehr offen über schwarz-grüne Bündnisse nachgedacht wird."

In der FDP reagierte man auf Ulrichs Vorstoß am Freitag mit deutlicher Skepsis. "Jamaika an der Saar ist ein erster Versuch", sagte Generalsekretär Christian Lindner dem Hamburger Abendblatt. "Ob daraus langfristig mehr werden kann, liegt in erster Linie bei den Grünen und ihrer programmatischen Entwicklung. Derzeit stehen die Grünen zu oft der Linkspartei näher als der FDP." Zudem hätten die Liberalen keinen Anlass, ihre Bündnisstrategie zu ändern: "Wir wollen im Mai die christlich-liberale Koalition in Nordrhein-Westfalen fortsetzen, weil wir so den Erneuerungskurs in Bund und Land sichern." Auch Peter Altmaier, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, äußerte sich zurückhaltend. "Angesichts der unverständlichen Blockadehaltung der Grünen auf Bundesebene", meinte Altmaier gegenüber dem Abendblatt, "liegt der Ball eindeutig im Spielfeld der Grünen."

In der SPD schien man beunruhigt. Der Vorsitzende der saarländischen Sozialdemokraten, Heiko Maas, warnte seine Partei vor zu großer Nähe zu den Grünen. "Aus den Erfahrungen, die wir gemacht haben, kann ich nur dazu raten, alles daranzusetzen, das eigene Profil in den Mittelpunkt zu stellen und sich nicht auf andere zu verlassen, weder auf die Grünen noch auf die Linkspartei", sagte Maas der Deutschen Presse-Agentur. Damit bezog sich Maas auf die an der Saar gescheiterte Regierungsbildung zwischen SPD, Linkspartei und Grünen.

Scharf wandte sich auch der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, gegen die Bildung einer Jamaika-Koalition in Nordrhein-Westfalen. "Die Grünen in NRW wollen die schwarz-gelbe Landesregierung ablösen und ihr nicht beitreten", sagte Beck. Die FDP sei sowohl in der Umwelt-, als auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ein Gegenpol zu den Grünen. Deswegen komme für seine Partei eine Koalition mit CDU und FDP nicht infrage. "Es geht uns schließlich um Inhalte und nicht um rein rechnerische Optionen", konstatiert Beck.

Auch Hubert Ulrich hatte eingeräumt, dass der Grundsatz, nach dem in einem Fünf-Parteien-System alle Parteien untereinander koalitionsfähig sein müssten, auf Bundesebene gegenwärtig nur eingeschränkt gelte. Wann dort die Zeit für ein schwarz-gelb-grünes Bündnis reif sein werde, so der Grünen-Chef von der Saar, sei "aus heutiger Sicht nur ganz schwer zu beantworten".