Berlin. Offenbar werden die Steuersünder-Daten nicht nur in der Schweiz als schwerer Stimmungsdämpfer empfunden, sondern auch in Teilen Baden-Württembergs. In Stuttgart wurde gestern Mittag jedenfalls eine für den Abend angesetzte außerordentliche Kabinettssitzung abgesagt, in der über den Ankauf der umstrittenen Daten-CD entschieden werden sollte.

Der Daten-Deal ist zwischen den Koalitionspartnern CDU und FDP umstritten. Während Finanzminister Willi Stächele (CDU) angekündigt hat, den Datensatz nach rechtlicher Prüfung kaufen zu wollen, will Justizminister Ulrich Goll (FDP) "keine dubiosen Geschäfte mit dubiosen Leuten, die dubiose Motive haben" machen und droht mit seinem Veto. Da morgen die Vereidigung des neuen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) ansteht - sein Amtsvorgänger Günther Oettinger (CDU) erwartet heute in Brüssel seine Bestätigung als neuer EU-Energie-Kommissar -, wollte man es in Stuttgart kurz vorher nicht noch auf einen Krach ankommen lassen. Mappus und FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke hätten sich "vehement" für die Absage der Kabinettssitzung eingesetzt, hieß es in Stuttgart. Das Thema sei zu "brisant". Oettinger sagte, die Entscheidung werde in drei oder vier Tagen fallen. Derzeit laufe eine abschließende Bewertung.

Die Steuerfahndung Freiburg-Land hat entgegen anders lautenden Berichten das Gewicht der von ihr geprüften Daten nicht beanstandet. Anfang 2009 sei ihr eine Liste mit insgesamt 1700 mutmaßlichen Steuersündern aus dem ganzen Bundesgebiet angeboten worden, von denen sie 52 Fälle überprüft habe, teilte die Behörde mit. Baden-Württemberg könne demnach mit steuerlichen Mehreinnahmen von bis zu sieben Millionen Euro rechnen. Die Steuerfahnder widersprachen somit einem Zeitungsbericht, in dem es geheißen hatte, der Erlös werde den strafrechtlichen Aufwand nicht lohnen.

Unterdessen hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich bemüht, die Wogen im Streit mit der Schweiz über den Umgang mit Steuersündern zu glätten. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm teilte gestern in Berlin mit, Merkel habe am Wochenende mit der Schweizer Bundespräsidentin Doris Leuthard telefoniert. Beide Politikerinnen würden darin übereinstimmen, dass die guten Beziehungen durch die jüngsten Entwicklungen nicht belastet werden dürften. Die Schweiz habe ihren Willen bekräftigt, die Verhandlungen mit Deutschland über ein Doppelbesteuerungsabkommen fortzusetzen, sagte Wilhelm. Merkel habe das "konstruktive Verhalten" der Regierung in Bern begrüßt. Es gebe auf beiden Seiten die Absicht, "dass wir zu einem Abschluss kommen wollen". Die nächste Verhandlungsrunde sei für März geplant.