Hamburg/Berlin. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat den baldigen Abschied von der Kernkraft gefordert und dafür scharfe Kritik geerntet. Vor allem Kollegen aus den eigenen Reihen griffen ihn massiv an.

Röttgen fürchtet um das Image der CDU. Sie solle sich "gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Auch nach 40 Jahren werde die Kernenergie in der Bevölkerung nicht hinreichend akzeptiert. Deshalb dürfe die Union ihren Erfolg nicht davon abhängig machen, dass Kernkraftwerke störungsfrei liefen. Atomenergie könne nur eine Brücke sein, bis erneuerbare Energien sie verlässlich ersetzen können. Die schwarz-gelbe Regierung hatte zwar in ihrem Koalitionsvertrag eine Bereitschaft für längere Laufzeiten signalisiert, will diese aber in ein "Energiekonzept" bis Herbst einbetten. Röttgen stellt sich vor, die Atommeiler acht Jahre länger am Netz zu lassen, als es die rot-grüne Vorgängerregierung vorsah. Mehr als 40 Jahre Gesamtlaufzeit wolle er ihnen aber nicht zugestehen.

Röttgen warnte auch davor, die Zusatzgewinne der Energie-Unternehmen aus den längeren Laufzeiten mit einer Sonderabgabe abzuschöpfen. "Der Staat muss jeden Anschein vermeiden, er schöpfe Sondergewinne ab und mache dafür Zugeständnisse bei der Sicherheit." Damit stellte er sich gegen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). Der hatte kürzlich erklärt, er wolle "mindestens die Hälfte der Sondergewinne abschöpfen". Die beiden müssen nun einen gemeinsamen Nenner finden, denn sie sollen das energiepolitische Konzept gemeinsam erarbeiten.

Röttgens Parteikollegen reagierten empört auf seinen Vorschlag. "Sprachlos über so viel Unfug" zeigte sich der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Kretschmer. Er ließ auch den Einwand der mangelnden Akzeptanz nicht gelten: "Wenn das so wäre, wäre es die Aufgabe der CDU, dafür zu kämpfen, dass die Akzeptanz größer wird." Auch Unionsfraktionsvize Michael Fuchs widersprach vehement. "Volkswirtschaftlich bedeutet es einen enormen Schaden, gut funktionierende Kernkraftwerke abzuschalten", sagte er der "Welt am Sonntag". Sichere Kernkraftwerke könnten 60 Jahre oder länger weiterlaufen. Sie könnte weder durch "Vogelschredderanlagen" (Windkraft) noch durch "Subventionsgräber" (Solarzellen) ersetzt werden.

Kritik kam auch von Grünen-Chefin Claudia Roth: "Umweltminister Röttgen versucht, den Menschen mit Sonntagsreden Sand in die Augen zu streuen, während Schwarz-Gelb im Hinterzimmer den Ausstieg aus dem Atomausstieg festzurrt und die Solarförderung kappt." Auch Kernkraftgegner zweifeln an dem Bekenntnis des Umweltministers. Er sei nur glaubwürdig, wenn es mit der Stilllegung von AKW einhergehe, sagte der Sprecher der Organisation "Ausgestrahlt", Jochen Stay.