Im hessischen Landtag hat Ministerpräsident Roland Koch (CDU) erneut Änderungen an Hartz-IV gefordert und dafür Kritik der Opposition geerntet.

Wiesbaden. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat im hessischen Landtag seine Forderung nach Änderungen an Hartz-IV bekräftigt. Fünf Jahre nach Einführung der Arbeitsmarktreformen sei es Zeit, nach der Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen zu fragen, sagte der Regierungschef am Mittwoch in Wiesbaden. Kurzzeitarbeitslose würden seitdem schneller vermittelt, die Bundesagentur für Arbeit arbeite besser. „Bei den Langzeitarbeitslosen gibt es keine vergleichbare Entwicklung.“ Die Opposition warf Koch vor, Arbeitslose diffamiert zu haben mit dem Vorwurf, sie nutzten das System aus.

Der Landtag debattierte am Mittwoch auch über den Lärmschutz am Frankfurter Flughafen und die Ergebnisse der Polizeiarbeit in Hessen. Nachmittags gedachten Landtag, Regierung, die kommunalen Spitzenverbände und der Landeswohlfahrtsverband der Opfer des Nationalsozialismus. Vor 65 Jahren hatte die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz im besetzten Polen befreit.

Ausdrücklich trat Koch bei der Hartz-IV-Debatte dafür ein, arbeitslosen allein erziehenden Müttern bei der Kinderbetreuung zu helfen, selbst wenn dies am Anfang teurer sei als der erzielte Arbeitslohn. Dafür seien die Frauen nach ein oder zwei Jahren wieder in den Arbeitsmarkt integriert.

Die Opposition vermutete in der von Koch vor zehn Tagen angestoßenen Diskussion taktische Motive. „Es geht ihnen doch gar nicht um eine Fachdebatte“, sagte SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Koch bemängele, dass sich für viele Arbeitslose das Arbeiten nicht lohne. Doch der beste Anreiz, einen Job anzunehmen, sei eine ausreichende Bezahlung, sagte Schäfer Gümbel. „Mindestlöhne sind das Gebot der Stunde.“

Der Grünen-Vertreter Markus Bocklet hielt der Regierung vor, sie tue nicht genug im Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Mit 26,7 Prozent bei der Eingliederungsquote von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt liege Hessen bundesweit auf dem achten Platz. Die Linken-Abgeordnete Marjana Schott erklärte, Sanktionen gegen Empfänger von Hartz-IV würden in neun von zehn Fällen zu Unrecht verhängt. CDU und FDP scharten sich um den Regierungschef. „Dass wir über die Überprüfung und Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen diskutieren, ist bei diesem wichtigen Thema selbstverständlich“, sagte René Rock von den Liberalen.

Die Sanktionen würden regional sehr unterschiedlich gehandhabt, erklärte der CDU-Vertreter Ralf-Norbert Bartelt. Auffällig oft weigerten sich Arbeitslose unter 25 Jahren, eine angebotene Arbeit anzunehmen. Grüne und SPD scheiterten mit Anträgen, die gesundheitlichen Risiken durch den wachsenden Fluglärm am Frankfurter Flughafen untersuchen zu lassen. Verkehrsminister Dieter Posch (FDP) erklärte, dass bereits im Genehmigungsverfahren für den Ausbau des Flughafens „eine Vielzahl von Gutachten zu Fragen der Lärmmedizin“ berücksichtigt worden seien.

Die Grünen verwiesen auf eine Studie des Bremer Mediziners Eberhard Greiser, der einen Zusammenhang zwischen Fluglärm und Herz- und Kreislaufkrankheiten bei Anwohnern des Flughafens Köln/Bonn ermittelt hatte. Doch Tatsachen, die ihnen nicht passten, würden von CDU und FDP verantwortungslos verdrängt, sagte der Grünen-Abgeordnete Frank Kaufmann. Stefan Müller von der FDP wiederum warf Kaufmann vor, Panikmache zu betreiben und Ängste zu schüren. Kaufmann hatte am Montag davon gesprochen, die Regierung nehme rund um den Flughafen den Tod von Hunderten Menschen in Kauf. Auch ein von der SPD gefordertes Lärmschutzgutachten lehnte Schwarz-Gelb ab. „Lärm ist eben nicht vermeidbar“, sagte Müller.

Sinnvoller sei ein Gutachten, wie der Krach im Luftverkehr zu reduzieren sei. Der CDU-Abgeordnete Walter Arnold betonte, dass der hessische Landtag gar nicht zuständig sei. Vielmehr müsse sich der Bundestag in Berlin mit dem Thema beschäftigen, weil die Fluglärmvorschriften in einem Bundesgesetz verankert seien. Die Bewertung der hessischen Kriminalstatistik führte ebenfalls zu Streit im Landtag. Die Grünen warfen Innenminister Volker Bouffier (CDU) „Augenwischerei“ vor. Die Polizisten hätten hervorragende Leistungen nicht wegen, sondern trotz der Weichenstellungen der Landesregierung erbracht, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Mürvet Öztürk.

Zudem liege Hessen mit seiner (Rekord-)Aufklärungsquote von 57,8 Prozent bundesweit lediglich auf Platz sieben. Von der CDU kam dagegen Lob für Bouffier. „Hessen ist sicher, und Straftäter haben hier immer geringere Chancen unentdeckt zu bleiben. Unsere Investitionen in die Sicherheit haben sich ausgezahlt“, sagte der Abgeordnete Holger Bellino.