So, so. Deutschland erhöht also sein Truppenkontingent für Afghanistan um 850 Soldaten, zahlt Millionen für angeblich gemäßigte Taliban, die dem Kampf abschwören sollen. Außerdem bilden wir verstärkt einheimische Polizisten und Soldaten aus, damit die Afghanen mehr als bisher für ihre Sicherheit sorgen können - und wir 2011 mit dem Rückzug vom Hindukusch beginnen können.

Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Tatsache ist, dass es für die deutschen Soldaten erst mal noch gefährlicher werden wird. Die Truppe soll nämlich auch häufiger als bisher ihr Feldlager in Kundus verlassen, um - zusammen mit afghanischen Einheiten - die Bevölkerung vor den Taliban zu schützen.

Wenn sie angegriffen werden, dürfen sie laut Verteidigungsminister zu Guttenberg auch zurückschießen. Erst Eskalation, dann Rückzug? Eine verwirrende Logik.

"Enduring Freedom", andauernde Freiheit, nannte die Nato ihren Feldzug in Afghanistan, das unter dem Regime der Taliban Terrorchef Osama Bin Laden wie einen Staatsgast behandelt hatte. Es war der Anfang eines Anti-Terror-Krieges, für Amerika sicherlich auch Vergeltung für den Al-Qaida-Anschlag vom 11. September 2001.

Die Deutschen konnten nicht anders als mitmachen, wollten sie nicht dauerhaft in der Nato und gegenüber den USA als Drückeberger gelten. Zweimal - unter Kohl und Schröder - hatten sie sich dem Waffengang im Irak verschlossen. Der CDU-Kanzler kaufte sich aus der Verpflichtung mit Milliardenzahlungen raus, und mit der symbolischen Entsendung von Spürpanzern, die weit ab vom Schuss stationiert worden waren. Nachfolger Schröder entdeckte sein Nein zum zweiten Irak-Krieg mitten in einem Wahlkampf, der eigentlich schon verloren war.

Die Deutschen, die mehrheitlich nur mühsam von der Notwendigkeit des Engagements zu überzeugen waren, verteidigten fortan die Freiheit am Hindukusch, wie Peter Struck (SPD) markig verkündete. Aber auf eine unkriegerische, eben rot-grüne Weise. Die Bundeswehr - so die Botschaft für den Bürger - baut Straßen und Brunnen im sicheren Norden und sorgt für die Errichtung von Mädchenschulen. Im von den Taliban beherrschten Süden kämpfen die USA und andere Verbündete.

Diese Trugbilder gibt es schon länger nicht mehr. Die "andauernde Freiheit" endete schon bald vor den Toren des Feldlagers in Kundus. Nur schwer gepanzert konnte sich die Bundeswehr noch raustrauen, in den umliegenden Dörfern hatten längst die Taliban das Sagen. Dass die deutschen Soldaten sich in Wahrheit in einem Krieg befanden, war lange ein Tabuthema - spätestens bis zu jenem verhängnisvollen Bombenangriff auf zwei gekaperte Tanklastwaren, bei dem Dutzende Zivilisten den Tod fanden. Mit der Wahrheit über den Krieg rettete sich die Große Koalition so gerade noch über den Wahltermin im September.

Von kriegsähnlichen Zuständen spricht man mittlerweile in Berlin ganz offiziell. Was noch keiner zu sagen wagt, ist dies: Am Hindukusch ist mit Krieg nichts zu gewinnen. Insofern wiederholt sich Geschichte, wie schon die Engländer und zuletzt die Russen 1989 bitterlich erfahren mussten.

Wenn der Westen jetzt viel Geld in die Hand nehmen will, um Warlords und gemäßigte Taliban aus dem Bündnis gegen die Zentralregierung Kabul herauszukaufen, ist das ein wirklicher Strategiewechsel. Aber ein Strategiewechsel - wozu: Um eine Übergangsregierung der nationalen Einheit unter Karsais Führung zu installieren? Das brächte dem Westen die Möglichkeit, ohne großen Prestigeverlust aus Kabul abzuziehen. Aber brächte es dem Land auch die "andauernde Freiheit", die Gleichberechtigung der Frauen und die Mädchenschulen, für die wir einmal den Krieg begonnen haben? Oder versinkt Afghanistan dann wieder in Bürgerkrieg und Chaos, wenn die Ordnungstruppe Nato nicht mehr da ist?

Karl Günther Barth ist stellvertretender Chefredakteur des Abendblatts.