“Solange ich gesund bin, werde ich weiter mitmischen“, sagte Oskar Lafontaine noch 2008. Nun zieht sich er sich endgültig aus der Politik zurück.

Berlin. Nein, sagte er immer wieder, das sei kein Abschied auf Raten. Im Oktober vergangenen Jahres überraschte Oskar Lafontaine die Bundestagsabgeordneten der Linken mit seinem Rückzug vom Amt ihres Fraktionschefs. Es wurde viel gemunkelt, warum „Oskar“ denn nun kürzertritt – vor allem, nachdem er die Linke gerade zu einem Traumergebnis von 11,9 Prozent bei der Bundestagswahl geführt hatte. Als er am 17. November mitteilte, er unterziehe sich einer Krebs-Operation, war klar: Das hat Konsequenzen für seine politische Zukunft. Nun zieht es ihn zurück ins Saarland, da wo er immer noch für viele eine Legende ist. Im Bund hingegen war der brillante Rhetoriker („Das Herz schlägt links“) gefürchtet. Aber am Ende bleiben vor allem die großen Niederlagen in Erinnerung.

Der 66-Jährige war in rund 40 Jahren Politkarriere von der Kommunal- bis zur Bundesebene fast alles – aber die Kanzlerschaft blieb ihm verwehrt. Lafontaine wollte nach seinem Bruch mit der SPD im Jahr 1999 ein eigenes linkes Projekt, er tauchte bei Attac- Veranstaltungen auf und wetterte gegen „neoliberale Politik“. 2005 gab er nach 39 Jahren Mitgliedschaft sein SPD-Parteibuch ab und bildete mit Gregor Gysi ein Tandem an der Spitze der Bundestagsfraktion der Linken. Lafontaine bestritt stets Rachegefühle gegenüber der SPD. Einstige Wegbegleiter nehmen ihm das nicht ab.

2007 war er am Ziel: Die westdeutsche Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) und die Linkspartei.PDS fusionierten zur Linkspartei. Es ist vor allem auch Lafontaines Erfolg, dass die Partei heute in 12 Landtagen sitzt, sein größter Triumph waren die 21,3 Prozent im August 2009 im Saarland, die er sich als Spitzenkandidat ganz auf die eigenen Fahnen schreiben konnte.

Die Linke, deren Vorsitzender er neben Lothar Bisky seit der Fusion im Juni 2007 ist, etablierte sich in den letzten Jahren zunehmend im Westen. Erstmals gibt es eine bei Wahlen erfolgreiche Partei links von der SPD. Aber Lafontaines Stil riss auch tiefe Gräben in die Partei – viele Realos reiben sich am knallharten Oppositionskurs des einstigen „Napoleons von der Saar“. Eine Annäherung zwischen SPD und Linker für mehr rot-rote Bündnisse scheiterte bisher vor allem wegen einem: Lafontaine.

Mitglieder der Linken haben mitunter ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Vorsitzenden. Einerseits lassen sie sich von Gysi überzeugen, dass die Partei ohne Lafontaine keinesfalls im Westen einen Fuß auf den Boden bekommen hätte. Andererseits haben sie Probleme mit seinem Gebaren. Bei allem Humor und erfolgreichen Einsatz für die Sache kann Lafontaine autoritär, selbstbezogen, zynisch und arrogant wirken. Attribute, die die Mitglieder von seinem Co-Vorsitzenden Lothar Bisky nicht kennen. Der Saarländer war und ist mehr Polarisierer denn Einiger. Und ein Provokateur par excellence.

Seine Bundeskarriere ist im Rückblick vor allem von Schatten geprägt: 1990 war es nichts mit der Kanzlerschaft geworden – zuvor wurde er Opfer eines Messerattentats. 1999 legte er all seine Ämter in der SPD, einschließlich des Parteivorsitzes, nach einem Zerwürfnis mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) über Nacht nieder. Eher missmutig hatte er Schröder den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur lassen müssen. Der Vollblutpolitiker, der 1995 SPD- Chef Rudolf Scharping gestürzt hatte, verschwand von der Bühne – nach jahrzehntelangem Einsatz für die Politik der SPD.

Es schließt sich ein Kreis, wenn er nun sein politisches Zentrum wieder ins Saarland verlegt. Gerne hätte er hier noch einmal mitregiert. Mit seiner Ankündigung beim Rückzug vom Fraktionsvorsitz im Bundestag, er werde sich künftig stärker im Saarland engagieren, trieb er aber im Oktober 2009 die Saar-Grünen erst recht in die Arme von CDU und FDP. Sie waren das Zünglein an der Waage, aber Aversionen von Parteichef Hubert Ulrich gegen Lafontaine führten zum Jamaika- Bündnis.

Möglicherweise träumt Lafontaine immer noch von einer vereinigten Linken in Deutschland. Den Absturz der SPD sieht der „Nein-Sager“ (Nein zu Afghanistan, Nein zu Hartz-IV) vor allem als Folge ihrer angeblich unsozialen Politik. Er regiere aus der Opposition heraus, sagte er feixend vor seinem 65. Geburtstag. Und da er die von den Sozialdemokraten mitbeschlossene Rente mit 67 zwar als unsozial für die Gesellschaft, nicht aber für sich selbst geißelt, sei noch lange mit ihm zu rechnen, sagte er damals und fügte hinzu: Solange ich gesund bin, werde ich weiter mitmischen.“ Er konnte damals nicht wissen, dass ihn ein nur Jahr später der Krebs bremsen würde.