Berlin. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat in der Haushaltsdebatte des Bundestags klargemacht, dass die Koalition trotz der geplanten AKW-Laufzeitverlängerung Ökostrom langfristig den Vorrang gibt. "Die erneuerbaren Energien werden sukzessive in einem dynamischen Prozess Kernenergie und fossile Energiequellen ersetzen", sagte Röttgen. "Wir werden es genau nach diesem Prinzip machen."

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ergänzte: "Wir wollen Klarheit haben bis zur Sommerpause." Um den angestrebten Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen, sei es schlicht notwendig, über die Verlängerung der AKW-Laufzeiten "zusätzliche Mittel zu generieren". Brüderle bekräftigte, spätestens Ende Oktober werde die Regierung ein umfassendes Energiekonzept vorlegen. Röttgen sprach erneut von der Atomenergie als einer "Brückentechnologie", die auch dem Klimaschutz diene.

Die Opposition warf Röttgen vor, die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke bereits jetzt auszuhandeln, aber erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfallen öffentlich machen zu wollen. Sie bezog sich dabei auf ein Treffen zwischen Koalitionsvertretern und den Chefs der Kraftwerkstöchter der vier großen Atomkonzerne E.on, RWE, EnBW und Vattenfall, das für gestern Abend angesetzt war. Dazu geladen hatte Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU).

Die Branchenvertreter drängen auf eine zügige Entscheidung, aber der Koalitionsvertrag lässt Details weitgehend offen. Besonders EnBW und RWE stehen aber unter Druck, da die bislang genehmigte Laufzeit für Neckarwestheim und Biblis A ausläuft. Regierungs- und Branchenkreisen zufolge will sich EnBW-Chef Hans-Peter Villis deshalb heute mit Röttgen direkt treffen. In dieser Woche soll zudem bereits ein Gespräch mit E.on-Chef Wulf Bernotat sowie vergangene Woche mit den Vorstandsvorsitzenden von Vattenfall-Europe und RWE, Tuomo Hatakka und Jürgen Großmann, auf der Tagesordnung gestanden haben. Auch bei diesen Treffen sei man bei der Laufzeitfrage nicht wesentlich vorangekommen, hieß es in Berlin.

Grüne, SPD und Linke kritisierten im Bundestag nicht nur die AKW-Pläne der Regierung, sie warfen Röttgen angesichts der von ihm geplanten Kürzung der Solarsubventionen Unglaubwürdigkeit vor. "Sie bremsen die Solarbranche aus", sagte Hans-Josef Fell (Grüne). Anlass der beabsichtigten Kürzungen ist die weltweite Marktentwicklung der Branche, die nach Ansicht der Regierung zur Überförderung geführt hat.

Auf die ungeklärte Endlagerfrage verwies der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU): "Mit den maroden Atommülldeponien Asse und Morsleben hat die Atomindustrie bewiesen, dass eine sichere Lagerung des Atommülls für Jahrtausende unmöglich ist."

Röttgen konterte auf solche Vorhalte, er wolle die Frage der Endlagerung von Atommüll noch in seiner Amtszeit lösen. Seine beiden Vorgänger im Amt des Umweltministers hätten sich um diese Verantwortung gedrückt und das Thema unerledigt gelassen.