Von der Leyen rechnet mit weniger als vier Millionen Arbeitslosen. Köhler verteidigt Programme gegen Extremismus.

Berlin. In einen parlamentarischen Disput mit unkalkulierbarem Ausgang wollte sich Deutschlands neue Familienministerin bei ihrem ersten großen Auftritt im Bundestag offenbar nicht verwickeln lassen: Schärfere Angriffe gegen die Opposition überließ Kristina Köhler in der Haushaltsdebatte den Kollegen, die nach ihr auf der Rednerliste standen. Die 32 Jahre alte Kabinetts-Novizin nahm sich stattdessen die Kommunen vor, denen sie wegen ihrer Kritik an vermeintlich fehlenden Krippenplätzen "übertriebene Panikmache" vorwarf.

Und etwas klarstellen wollte sie dann auch. Nur noch in diesem Jahr, so betonte Köhler, werde sie die in ihrem Hause angesiedelten Programme gegen Rechtsextremismus weiterlaufen lassen - ab 2011 aber solle die Förderung umstrukturiert werden. Da es Extremismus in allen Lagern zu bekämpfen gelte, sollen zusätzlich Modellprojekte gegen Linksextremismus und Islamismus an den Start gehen. "Es gibt keine guten Extremisten", begründete Köhler diesen Paradigmenwechsel. Sie reagierte damit auch auf zuvor laut gewordene Mutmaßungen, sie wolle die Struktur der Programme offenbar doch unangetastet lassen. Eine erste politische Spur hatte Kristina Köhler damit immerhin hinterlassen.

Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Dagmar Ziegler warf der Nachfolgerin Ursula von der Leyens in ihrer Replik allerdings vor, ohne Konzepte ins Ministerium am Alexanderplatz eingezogen zu sein. Die Kinderbetreuung sei unzureichend, das geplante Betreuungsgeld schlicht "politisch falsch". Und mit ihren Steuersenkungen entzögen die schwarz-gelben Koalitionäre den Kommunen die Grundlagen für die Förderung von Mutter-Kind-Zentren und von Frauenhäusern.

Das wollte Florian Toncar so nicht gelten lassen. "Die Familien sehen, wer an ihrer Seite steht", rief der FDP-Mann aus. Und: Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sei in Wahrheit ein "Familienentlastungsgesetz". Er frage sich, warum die Opposition noch nicht mal für die darin verankerten Entlastungen für Familien ein lobendes Wort finde. Und was das Betreuungsgeld angehe, so werde die Regierung schon dafür sorgen, dass es am Ende nicht die Eltern dazu verlocke, den Nachwuchs aus Kindertagesstätten fernzuhalten. Wie, das behielt er zunächst für sich. Aber die streckenweise emotional geführte Debatte räumte jedenfalls mit dem Vorurteil auf, dass beim Thema Familienpolitik nach Ursula von der Leyens Wechsel ins Arbeitsministerium die Luft raus sei.

Noch turbulenter ging es in der Debatte um den Etat von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zu. Der bekam zwar von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein aufmunternd-anerkennendes Nicken, nachdem er in seiner Rede abermals ein Loblied auf "vernünftige Steuerpolitik als Freiheitspolitik" angestimmt hatte. Aber von den Oppositionsbänken schallte es daraufhin nur umso lauter zurück. Eine Mischung aus Tatenlosigkeit und Unfähigkeit wurde Brüderle bescheinigt. "Keine Vorschläge, keine Konzepte, das ist Politik à la Brüderle", klagte Hubertus Heil (SPD). Sein Fraktionskollege Garrelt Duin stichelte: "Das ist kein Posten für verdiente Landesminister oder für den Vorruhestand. Es langt für dieses Amt nicht." Brüderle hatte zuvor auch die Maßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes über den grünen Klee gelobt - nach der Aufregung der vergangenen Tage um die von der FDP durchgesetzte Steuersenkung für Hoteliers war das eine Steilvorlage. Nahezu alle Redner sahen bei den Liberalen wie Roland Claus (Linke) "Klientelpolitik zugunsten weniger und zulasten vieler" am Werk.

Brüderle ließ sich aber nicht beirren. "Die Menschen haben seit fünf Jahren zum ersten Mal wieder mehr Netto im Geldbeutel", erinnerte er. Und auf dem Arbeitsmarkt hätten sich dank moderater Tarifabschlüsse und der Kurzarbeit "Horrorszenarien" nicht erfüllt.

Optimistisch präsentierte sich schließlich auch Ursula von der Leyen. Die Zahl der Arbeitslosen werde wohl auch in diesem Jahr die Vier-Millionen-Grenze nicht überschreiten, sagte sie. Der deutsche Arbeitsmarkt habe sich in der Krise im internationalen Vergleich als stabil erwiesen. Und die höheren Ausgaben für das Kurzarbeitergeld zahlten sich aus. Anfang kommender Woche wolle sie ihre Pläne zur Reform der Jobcenter vorstellen.