SPD, Grüne und Linkspartei arbeiten sich an der Neuverschuldung und an der “Klientelpolitik“ von Schwarz-Gelb ab. Koalition beschwört den “anderen Geist“, der nun in Deutschland wehe.

Berlin. Wie ernst es der Kanzlerin war, konnte man an der Farbe erkennen, die sie für den Tag der Generaldebatte gewählt hatte: Sie kam in Schwarz. Schließlich galt es, Seriosität zu signalisieren und den mit viel Kritik begleiteten Stotterstart der ersten knapp hundert Tage endlich hinter sich zu lassen.

Natürlich machte Angela Merkel (CDU) nicht den Fehler, von einem "Neustart" zu sprechen. Sie zog es vor, ein "neues Denken" zu proklamieren und von der "Sehnsucht der Bürger nach Zusammenhalt" zu sprechen. Angesichts der Lage sei die "politische Kunst" gefragt, Wachstum und solide Finanzen zu verbinden. "Zu der", meinte die Kanzlerin, "sind wahrscheinlich nur wir fähig." Und unbeirrt vom bitteren Gelächter, in das die SPD-Fraktion ausbrach, sagte sie: "Wenn wir 2013 wieder das Niveau vor der Krise erreichen, dann haben wir gute Arbeit geleistet." Merkel verteidigte den Haushalt 2010, der eine Rekord-Neuverschuldung von 85,8 Milliarden Euro vorsieht. Zur Kritik, Steuersenkungen seien wegen der aktuellen Finanznot des Staates nicht finanzierbar, sagte sie, die Wahlprogramme von CDU, CSU und FDP würden umsetzt. Das genaue Konzept werde nach der neuen Steuerschätzung im Mai entwickelt. Das Land brauche "motivierte Bürger, die wissen, warum sie Steuern zahlen, und finden, dass es dabei gerecht zugeht".

Der Hälfte des Bundestagsplenums machte das erwartungsgemäß nicht viel Eindruck. Zumal die Generaldebatte zum Haushaltsentwurf von den Oppositionsparteien ja immer zur Generalabrechnung mit der jeweiligen Bundesregierung genutzt wird. Während SPD-Parteichef Sigmar Gabriel schon versuchte, Merkels Rede mit empörten Zwischenrufen zu torpedieren, warf der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier der Kanzlerin anschließend vor, sich in den zurückliegenden Wochen "in die Büsche geschlagen" zu haben: Die ersten Wochen von Schwarz-Gelb bezeichnete Steinmeier als "Totalversagen". Die FDP stehe erkennbar immer noch unter "Realitätsschock". Steinmeier warf den Koalitionären vor, Klientelpolitik zu machen. Niemals zuvor habe sich eine Bundesregierung so ungeniert in den Dienst von Lobbyisten gestellt. Diese verteile "hier mal ein Bonbon für die Hotelbesitzer, hier mal ein Zuckerstück für die Erben"! Steinmeiers Replik gipfelte in der Bemerkung, möglicherweise habe man es ja schon wieder mit einer "Bimbes-Republik" à la Helmut Kohl zu tun.

Die Grünen warfen der Kanzlerin Orientierungslosigkeit vor. Die von Merkel geführte Koalition habe "keine Werte, keine Ziele, keinen Plan und keinen Mumm", sagte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast. Deutschland habe ernsthafte Probleme, aber das System Merkel sei immer dasselbe: "Sie reden schön, aber am Ende ist es immer die alte Klientelpolitik der CDU." Linken-Fraktionschef Gregor Gysi forderte die Regierung auf, ihre Sparpläne offenzulegen, statt auf die Steuerschätzung im Mai zu verweisen. "Für wie doof halten Sie eigentlich die Menschen?", rief Gysi mit rotem Kopf. Die Feststellung der Kanzlerin, die Bundesregierung habe alles dafür getan, um Deutschland erfolgreich aus der Krise zu führen, quittierte Gysi mit dem Satz: "Auch Selbstüberschätzung muss doch ihre Grenzen haben!"

Während der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich, von "billigen" Angriffen auf die Bundesregierung sprach, erklärte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger, dass die Koalition ihren "klaren Wählerauftrag" Zug um Zug umsetzen werde.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, die schwarz-gelbe Regierung sei fest entschlossen, dem neuen Jahrzehnt ihren Stempel aufzudrücken. Jetzt wehe "ein anderer Geist".