Augsburg. Freundlich lächelt der grauhaarige Herr: "Gutes neues Jahr für alle!", grüßt der Angeklagte die Anwesenden im Saal 101 des Landgerichts Augsburg. Mehr als zehn Jahre konnte sich Karlheinz Schreiber der Justiz entziehen. Jetzt steht der Allgäuer Unternehmer, Lobbyist und ehemalige Freund vieler Politiker vor Gericht. Selbstverständlich empfinde er dabei "eine gewisse Genugtuung", sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz.

Steuerhinterziehung, Beihilfe zur Untreue, Beihilfe zum Betrug und Bestechung wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Schreiber (75) verfolgt die Verhandlung geschäftsmäßig und "heute mal in Schweigen gehüllt", wie er verschmitzt sagt. Aufmerksam liest er die Verlesung der Anklageschrift mit, macht sich Notizen.

Staatsanwalt Marcus Paintinger listet Schreibers Steuererklärungen von 1988 bis 1993 auf und rechnet in D-Mark vor, welche Provisionen für diverse Flugzeug- und Panzergeschäfte deutscher Firmen mit kanadischen, thailändischen und saudi-arabischen Partnern nicht versteuert wurden: Rund zwölf Millionen Euro Steuern soll Schreiber hinterzogen haben. Das Geld, so die Anklage, verschwand in einem für die Finanzbehörden "undurchschaubaren Lügengebäude". Das heißt in Treuhand-Gesellschaften und -Konten in Liechtenstein und Panama. Bestechung wirft die Anklage Schneider vor im Zusammenhang mit dem Verkauf von 36 Fuchs-Spürpanzern an das Königreich Saudi-Arabien 1991. Mit der Zahlung von 3,8 Millionen Mark auf das Treuhandkonto "Jürgland", das für den damaligen Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls eingerichtet worden sei, soll der Panzer-Deal zustande gekommen sein. Das Gericht hält allerdings die Bestechungsvorwürfe für verjährt.

Weil Schneider dem früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep auf einem Parkplatz einen Million Mark als Parteispende übergeben hatte, gilt der Geschäftsmann aus Bayern auch als großer Strippenzieher im CDU-Parteispendenskandal.

Schreiber selbst stellt sich lieber als kleines Rädchen im großen politischen Spiel dar. Die Steuerhinterziehung bestreitet er, die moralische Verantwortung schiebt er auf die Politiker. Er, der sonst gern vollmundig auftrumpfte, macht sich zum kleinen Handlanger. Diesen Tenor hat die Erklärung, die sein Anwalt für ihn vor der 9. Strafkammer des Landgerichts vorliest: Ein "Einzelunternehmer" aus Bayern könne doch nicht zwischen Regierungen hin und her spazieren und solche Großprojekte zustande bringen. Aber wichtig zu wissen sei, dass in jedem der angeführten Geschäfte "die wesentlichen Weichenstellungen von Politikern vorgenommen und wichtige Entscheidungen von Politikern getroffen wurden".

In seinen Betrachtungen zur internationalen Politik erklärt Schreiber auch die Interessen der Politiker: Standortvorteile, Einfluss, Arbeitsplätze und nicht zuletzt die Parteien- und Wahlkampffinanzierung: "Politiker können große Kreativität entwickeln, wenn es darum geht, Einnahmequellen für ihre Zwecke zu erschließen." Für alle Geschäftsabschlüsse, sagt Schreiber, gelte: "Es hat keinen Auftrag ohne Gegenleistung gegeben."

Schreiber zeichnet ein düsteres Bild von der Politik. Und er relativiert: "Es wird zu berücksichtigen sein, welches Gedankengut und welche Gepflogenheiten tatsächlich damals - auch in der Zeit des Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß - herrschten." Dass Strauß selbst mit den vor Gericht angesprochenen Projekten nichts zu tun habe, sei jedenfalls "großer Unsinn", erklärt Schreiber.

Er will sich bei Gelegenheit wieder äußern. Eine Drohung? Der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell hält Schreibers Stellungnahme jedenfalls noch für recht allgemein.