Saudi-König Abdullah empfing ihn in seiner Privatresidenz. Als Nächstes Besuch im Jemen geplant.

Doha/Hamburg. Zwei Stunden Audienz beim Herrscher eines schwerreichen Königshauses mit weltweiten Verbindungen sind auch für den deutschen Außenminister eine Auszeichnung. Und Guido Westerwelles Besuch beim saudischen König Abdullah hatte noch mehr von den Ingredienzen einer wundersamen Geschichte aus dem Morgenland.

Denn der neue Mann im Auswärtigen Amt, der sogar den Privatpalast Abdullahs von innen sah, bekennt sich zu seiner Homosexualität. Sie ist im politischen Deutschland kein Tagesthema. Im streng islamischen Teil Arabiens ist sie ein Tabu, eine Straftat, ein Grund für öffentliche Peitschenhiebe oder mitunter auch die Todesstrafe. Mit Abdullahs Ritterschlag für einen geschätzten Gesprächspartner hat Westerwelle eine Frage beantwortet, die man sich hinter vorgehaltener Hand stellte: Wird ein schwuler deutscher Außenminister in der islamischen Welt als gleichrangig akzeptiert?

Die Vertreter des konservativen Gottesstaates, in dem strikte Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben herrscht, behandelten Westerwelle ausgesucht höflich und freundschaftlich. Die zwei Stunden bei König Abdullah, der sich nur selten Zeit für ausländische Minister nimmt, war das doppelte Zeitpensum, das der Herrscher Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer letzten Visite widmete.

Das steht im Kontrast zu den Fakten, die Amnesty International verbreitet. Zuletzt wurden zwei homosexuelle Saudis zu je 7000 Peitschenhieben verurteilt. Westerwelle wurde aufgefordert, die Menschenrechte bei seinem Besuch anzusprechen. Und er tat es. Nach Auskunft aus seinem Ministerium hat er in Gegenwart seines Amtskollegen Prinz Saud al-Faisal gesagt: "Es gibt selbstverständlich auch Meinungsunterschiede zwischen uns. Wir haben ausführlich über die Menschenrechte gesprochen, bis hin zu der Frage der religiösen Pluralität." Und: "Wir sind der Meinung, dass die Todesstrafe überall abgeschafft werden soll."

Offen ansprechen konnte Westerwelle das Thema Homosexualität selbstredend nicht. Das hätte zu einem Eklat geführt und nicht in die Themen gepasst, die der Außenminister außerdem auf seiner Agenda hatte: Die Unterstützung der deutschen Wirtschaft werde von ihm "nicht mit spitzen Fingern angefasst", sagte Westerwelle. Ein reger Außenhandel sei für eine Exportnation wie Deutschland die Grundlage für Tausende von Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Zum anderen seien umfassende wirtschaftliche Beziehungen auch die Grundlage für gute politische Kontakte. Kurzum: Der Außenhandel liege "im nationalen Interesse" der Bundesrepublik.

Auf seiner bislang längsten Dienstreise hatte Westerwelle eine Delegation von Managern und Firmenchefs dabei. Auch deutsche Schiffsbauer warben in Saudi-Arabien um Aufträge. Die Bauwirtschaft hofft auf eine Beteiligung an den großen Infrastrukturprojekten des Königreichs. Schon jetzt führt die Deutsche Bahn ein Konsortium, das bis 2024 für 17 Milliarden Euro neue Verkehrswege zwischen der Hauptstadt Riad im Landesinneren und der Küstenregion am Roten Meer erschließt. "Ich hoffe, dass die Spitzenqualität und das technische Know-how deutscher Firmen auch bei weiteren großen Infrastrukturprojekten Ihres Landes zum Einsatz kommt", so lautete Westerwelles Botschaft, die er per Interview in einer arabischen Zeitung verbreitete. Die Diplomatie kam dabei nicht zu kurz. Mit den Arabern sprach Westerwelle über die Krisenregionen, über den schwelenden Nahost-Konflikt, den Atomstreit mit dem Iran und die eskalierende Lage im Jemen.

In jemenitischen Regierungskreisen hieß es laut Reuters, dass Westerwelle überraschend in den Jemen reist. Das Land ist seit dem vereitelten Anschlag auf ein US-Flugzeug wieder in den Fokus der Terrorbekämpfung geraten. Deutschland ist das wichtigste europäische Geberland in der Entwicklungshilfe für den Jemen. Dort sind außerdem Deutsche in der Hand von Geiselnehmern. Die Hintergründe für die Entführung sind unklar. Westerwelle hat in Riad ein internationales Vorgehen zur Stabilisierung der Lage im Jemen gefordert. "Wir haben ein großes Interesse an einem stabilen Jemen", sagte er.