Kiel/Berlin. Rund dreieinhalb Monate nach ihrem fulminanten Ergebnis bei der Bundestagswahl steckt die Linkspartei in einer tiefen Krise. In der aus der ostdeutschen PDS und der westdeutschen WASG entstandenen Partei sind alte Gräben wieder aufgerissen. Zudem ist immer noch unklar, ob ihr Zugpferd - der erkrankte Parteichef Oskar Lafontaine - die bundespolitische Bühne verlässt und damit ein großes Vakuum hinterlässt. Doch Hauptthema sind derzeit die Spannungen zwischen Lafontaine zu Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Ihr Verhältnis gilt als zerrüttet.

Die aktuelle Krise hatten zwei Briefe der Landesverbände in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen an den Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi ausgelöst, in denen Bartsch heftig kritisiert wird. Einem Bericht von stern.de zufolge fordern die beiden Landesverbände den Rücktritt Bartschs. Ihm wird vorgeworfen, Lafontaine mit Äußerungen gegenüber den Medien in den Rücken gefallen zu sein und eine Debatte über die Nachfolge des an Krebs erkrankten 66-Jährigen eröffnet zu haben.

Angesichts der Lage warnte bereits Koparteichef Lothar Bisky bereits vor einer Selbstzerfleischung der Linken, unterstützte aber zugleich den Bundesgeschäftsführer: Was an Mutmaßungen und an Unterstellungen über Bartsch zu lesen sei, "geht so nicht". Die Rücktrittsforderungen aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wegen Illoyalität wies Bartsch auch persönlich zurück. Nach Versöhnungsappellen aus den Ostverbänden forderten gestern auch die Parlamentarier aus Schleswig-Holstein mehr innerparteiliche Einheit und Solidarität. Landtagsfraktionschef Heinz-Werner Jezewski, der parlamentarische Geschäftsführer Uli Schippels und der Bundestagsabgeordnete Raju Sharma erklärten gestern in Kiel, die Linke könne weder auf Lafontaine noch auf Dietmar Bartsch verzichten. Unmissverständlich stärkten die Nord-Linken Bartsch den Rücken. "Die vergangenen Wahlerfolge der Linken in Schleswig-Holstein wären ohne Dietmar Bartsch nicht denkbar gewesen", so Schippels.

Bartsch kann sich vor allem auf den Rückhalt der Spitzen der ostdeutschen Landesverbände stützen. Lafontaines Anhänger finden sich vor allem in den westdeutschen Gliederungen. Unumstritten ist in der Partei, dass das Rekord-Wahlergebnis der Linken bei der Bundestagwahl ohne Lafontaine nicht zustande gekommen wäre.

Ein weiteres Streitthema zwischen Ost- und Westverbänden sind die Bedingungen für eine Regierungsbildung. Hier zeigen sich Ost-Linke zu wesentlich mehr Konzessionen bereit als das West-Lager. So stießen Zugeständnisse der Linken in Brandenburg an die SPD bei Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst auf scharfe Kritik Lafontaines.

Zudem reiben sich viele aus dem Reformflügel, zu dem auch Bartsch gehört, an dem autoritären Führungsstil Lafontaines, dem auch eine gewisse Selbstherrlichkeit vorgeworfen wird. So hatte es der Parteichef nicht für nötig gehalten, an der Klausur der Bundestagsfraktion der Bundestagswahl länger als nur ein paar Stunden teilzunehmen. Die Abgeordneten erfuhren dafür zuerst aus den Medien, dass er den Fraktionsvorsitz niederlegen wollte. Auch an der Fraktionsklausur nächsten Montag will Lafontaine nicht teilnehmen, wohl aber am Neujahrsempfang der saarländischen Linksfraktion neun Tage später.