Regierungsparteien wollen Vorschlag der Vertriebenen-Präsidentin prüfen, Opposition lehnt ihn rundweg ab.

Berlin. Zwischen Erleichterung und Empörung schwankten gestern die Reaktionen auf den Kompromissvorschlag von Erika Steinbach. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) hatte ihren Verzicht auf einen Sitz im Stiftungsrat der geplanten Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" angekündigt, sollte die Bundesregierung im Gegenzug bereit sein, einige Bedingungen des BdV zu erfüllen.

Erika Steinbach fordert unter anderem mehr Eigenständigkeit für die Stiftung. "Politische Bevormundung" müsse ausgeschlossen werden. Daher solle die bislang notwendige Zustimmung der Bundesregierung entfallen. Außerdem müsse der BdV im Stiftungsrat mit mehr als drei von 13 Sitzen vertreten sein. Zudem solle die Stiftung nicht mehr dem Deutschen Historischen Museum unterstehen. Komme der Kompromiss zustande, sei ihre persönliche Präsenz in der Stiftung nicht mehr nötig. Auch später werde sie dann nicht in den Stiftungsrat nachrücken: "Das ist eine Sache der Ehre." Steinbach sprach von einem "Weg der Vernunft".

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte Steinbachs Vorschlag im "Tagesspiegel" dagegen einen "erpresserischen Versuch", das Anliegen der Stiftung in ihrem Sinne zu verändern. Auch Grünen-Chefin Claudia Roth bezeichnete Steinbachs Vorgehen als "öffentliche Erpressung". Die BdV-Vorsitzende übe Druck auf die Bundesregierung aus, um eine "demokratisch nicht weiter kontrollierte Übernahme" der Bundesstiftung durch den BdV zu erreichen.

Die Union räumte Steinbachs Vorschlag dagegen gute Chancen ein. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) sagte der ARD, er sehe "zum ersten Mal die Möglichkeit, dass die Bundesregierung und der BdV am Ende zu einer gemeinsamen Position kommen können, wenn alle es wollen", und der für die Stiftung zuständige Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) erklärte, die Bundesregierung werde den Vorschlag "konstruktiv prüfen".

Hans-Peter Friedrich, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, sagte dem Hamburger Abendblatt, Erika Steinbach zeige, dass es ihr immer um die Vertriebenen und um das Stiftungsprojekt gegangen sei und nie um ihre eigene Person: "Der Vorschlag ist eine goldene Brücke, über die die FDP gehen kann. Die Einzelpunkte sind vernünftig und sollten jetzt von allen vorbehaltlos geprüft werden." Persönlich, fügte Friedrich hinzu, werde er es allerdings bedauern, wenn Erika Steinbach dem Stiftungsrat nicht angehöre.

Die streitbare CDU-Politikerin bewegt die Politik seit Monaten. In Polen wird sie als Vertreterin eines angeblichen deutschen Revanchismus wahrgenommen, weil die CDU-Abgeordnete 1991 gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestimmt und sich später gegen einen EU-Beitritt Polens ausgesprochen hatte. Für Schwarz-Gelb wurde die Causa Steinbach zum ersten Störfall, nachdem Außenminister Guido Westerwelle (FDP) während seines Warschau-Besuchs im November erklärt hatte, Deutschland werde "alles unterlassen", was der Versöhnung zwischen den beiden Nationen im Wege stehe. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte Westerwelle damals vorgeworfen, der "infamen Debatte" um Steinbach "neue Nahrung zu geben". Steinbach hatte gemeint, dass sie es "sehr erstaunlich" finde, wie sich ein deutscher Außenminister auf Kosten der Vertriebenen profiliere.

Inzwischen hört man aus den Reihen der Liberalen ungleich mildere Töne. Die FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Birgit Homburger erklärte, das weitere Vorgehen werde man im Kabinett besprechen. Auch Guido Westerwelle signalisierte Gesprächsbereitschaft. Er sagte im Deutschlandfunk, er werde den neuen Vorschlag "fair, sachlich und konstruktiv prüfen".

Jenseits der Grenze waren die Reaktionen gemischt. Während der polnische Regierungssprecher Pawel Gras offiziell von "guten Nachrichten" sprach, äußerte sich der Publizist Janusz Tycner skeptisch. Man habe Steinbachs Vorschlag "zur Kenntnis" genommen, sagte Tycner dem Hamburger Abendblatt, die Situation bleibe aber weiterhin verfahren. In Polen stehe man nach wie vor unter dem Eindruck, dass es den Vertriebenen um die Deutungshoheit über die deutsch-polnische Geschichte gehe.

Der Experte für deutsch-polnische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Stephen Bastos, gibt dem Steinbach-Vorschlag kaum Aussichten auf Erfolg. Damit würde die Grundkonzeption der Vertriebenen-Stiftung infrage gestellt. Das gelte insbesondere für die Forderung, dass die Bundesregierung die politische Kontrolle über die Stiftung aufgibt: "Denn das war ein Kernpunkt der Kompromisslösung, den man vor einem Jahr getroffen hat, mit Polen zusammen."