Nach einer neuen Prognose des Schätzerkreises ist das Finanzloch somit um 400 Millionen Euro gestiegen.

Berlin. Den gesetzlichen Krankenkassen fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich vier Milliarden Euro. Zusatzbeiträge für Millionen Versicherten sind damit unausweichlich. Mit seiner Defizit- Prognose gab der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) am Mittwochabend in Berlin nicht die in der Branche erwartete Entwarnung. Zuletzt hatte das Gremium Anfang Oktober ein Defizit von rund 7,5 Milliarden Euro für 2010 prognostiziert. Die Bundesregierung will den Zuschuss aus Steuermitteln über bisherige Zusagen hinaus deshalb um 3,9 Milliarden auf 15,6 Milliarden Euro steigern.

Beitragseinnahmen von 171,1 Milliarden Euro stehen nach Angaben der Schätzer 2010 voraussichtlich Ausgaben von 174,3 Milliarden Euro gegenüber. Zu dieser Lücke von 3,2 Milliarden Euro kommt noch ein Betrag von 800 Millionen Euro, mit dem die Kassen eine Liquiditätsreserve aufbauen müssen. Der Geldstock ist eine Sicherheit für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des Gesundheitsfonds, über den die Gelder an die Krankenkassen verteilt werden. Des Bundeszuschuss eingerechnet bleibt also eine Vier-Milliarden-Lücke übrig.

Für das laufende Jahr rechnet der Schätzerkreis mit einem etwas geringen Defizit als bisher erwartet. 2,1 Milliarden Euro müssen demnach voraussichtlich vom Bund per Darlehen ausgeglichen werden. Im Schätzerkreis sind Fachleute von Bundesgesundheitsministeriums Bundesversicherungsamt und vom GKV-Spitzenverband versammelt.

Bereits zum 1. Februar werde eine Reihe von Kassen Zusatzbeiträge erheben, sagte Barmer-Chef Johannes Vöcking im WDR. Für den Jahresbeginn hatten die Krankenkassen diesen Schritt reihenweise ausgeschlossen. „Klar ist natürlich, dass auf lange Sicht-das ist von der Politik so angelegt-alle letztendlich mit einem Zusatzbeitrag kommen werden-der eine später, der andere etwas früher“, sagte Vöcking. Die Regeln des Gesundheitsfonds sehen vor, dass alle Kassen zusammen bei Kostensteigerungen etwas weniger Geld bekommen als benötigt. Die Versicherungen sollen somit über den Zusatzbeitrag in Wettbewerb treten.

Die AOK Rheinland/Hamburg wird 2010 diese Prämie aber nicht erheben. „Wir werden im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen, wir kommen 2010 ohne Zusatzbeitrag aus“, sagte Kassenchef Wilfried Jacobs der „Rheinischen Post“. Die Ortskrankenkassen profitieren vom stärkeren Finanzausgleich zwischen den Kassen.

In der Branche wird damit gerechnet, dass mit der DAK eine große Versicherung zu den ersten Kassen mit einem Zusatzbeitrag zählt. GKV- weit dürfte dieser nach Einschätzung des Gesundheitsministeriums in aller Regel acht Euro pro Monat nicht überschreiten. Kassen, die mehr von ihren Mitgliedern verlangen, müssen deren Einkommen prüfen – es gilt eine gesetzliche Obergrenze von einem Prozent des Monatseinkommens. Die Zusatzbeiträge müssen die Kassenmitglieder zusätzlich zu ihrem 7,9-prozentigen Beitrag bezahlen. Der Arbeitgeberanteil von 7 Prozent des Einkommens verändert sich nicht.

Die Koalition will das geltende Finanzsystem 2010 nicht antasten, aber im Jahr darauf umfassend reformieren. Dabei soll laut Koalitionsvertrag der Arbeitgeberanteil langfristig festgeschrieben und ein einkommensunabhängiger Pauschalbeitrag eingeführt werden.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) betonte in der „Berliner Zeitung“, die geplante Reform ziele auch auf die Kosten ab. „Niemand im System, ob Ärzte, Apotheker, Pharmahersteller, Krankenhäuser oder Krankenkassen bekommt einen Freibrief.“ Zur Reform gehöre auch die Ausgabenseite. „Die Beitragsgelder müssen effizient verwendet werden.“