Heute konstituiert sich in Berlin der Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre. Kanzlerin Merkel soll im Januar aussagen.

Hamburg. Während in Afghanistan ein neuer Terroranschlag mit acht Toten die Hauptstadt Kabul erschütterte, hielt in Berlin die Opposition ihren Druck in der Kundus-Affäre auf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufrecht. Sie fordert eine rasche Aufklärung des von der Bundeswehr angeforderten Angriffs auf zwei Tankwagen mit bis zu 142 Toten sowie der Informationen über zivile Opfer.

Ziel des Anschlags in Kabul war nach Angaben von Sicherheitskräften vermutlich das Haus des ehemaligen Vizepräsidenten Ahmad Sia Massud. Der Politiker ist der Bruder vom Ahmad Schah Massud, der zwei Tage vor den New Yorker Terroranschlägen vom 11. September 2001 einem Attentat zum Opfer fiel.

Heute konstituiert sich der Bundestags-Untersuchungsausschuss. Die SPD will die Kanzlerin noch vor der Afghanistan-Konferenz Ende Januar laden. "Angesichts der Brisanz der Fragen wollen wir Kanzlerin und Minister ganz am Anfang hören", sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold "Spiegel Online", "möglichst noch im Januar."

Mit mehr als 90 Beweisanträgen will die Opposition die Bundesregierung zu lückenloser Aufklärung drängen, rund 50 Zeugen sollen zunächst aussagen. Der Untersuchungsausschuss soll nach dem Willen der Opposition weitgehend öffentlich tagen. "Das muss der Regelfall sein", forderte der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Omid Nouripour, in Berlin. SPD-Mann Arnold ergänzte: "Wenn der politische Wille da ist, das so zu machen, dann geht das auch."

Die Linke forderte die Einsetzung auch noch eines zweiten Untersuchungsausschusses, um speziell die Informationspolitik der Bundesregierung in der Affäre durchleuchten zu lassen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte Guttenberg erneut den Rücktritt nahegelegt. Mehrere Oppositionspolitiker forderten eine Regierungserklärung von Merkel. Die Union sieht dafür jedoch keinen Anlass. Die Kanzlerin habe sich bereits im September positioniert, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Peter Altmaier. Der umstrittene Luftangriff ist heute auf Antrag von Union und FDP auch Thema im Bundestag. Die Unionsfraktion warnte die Opposition davor, die Kundus-Affäre zu innenpolitischen Zwecken zu instrumentalisieren. Altmaier sagte, die Opposition habe Dinge problematisiert, über die vor wenigen Monaten im Verteidigungsausschuss einvernehmlich diskutiert worden sei. Die Fraktion gab Guttenberg Rückendeckung. "Die CDU/CSU-Fraktion steht geschlossen hinter ihm", sagte Altmaier.

Nouripour sieht gezielte Tötungen nicht vom Bundestags-Mandat gedeckt. Nach Medienberichten soll der Luftschlag Folge einer verschärften Einsatzstrategie gewesen sein, in die das Kanzleramt eingebunden gewesen sein könnte. Die Bundeswehr soll bei dem Luftschlag bei Kundus vor allem die Tötung von Taliban-Führern ins Visier genommen haben. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich wies den Vorwurf zurück, dass die Einsatzregeln überraschend geändert worden seien. Bei einer Eskalation müssten die Soldaten Gefahren vorher beseitigen können.

Der Deutsche Bundeswehrverband sieht nun die Politik am Zug. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte, der Bundestag müsse sich "zeitnah mit der Frage befassen, was wir dort haben: einen nicht international bewaffneten Konflikt oder einen reinen Stabilisierungseinsatz". Letzteres sei nicht die Realität, sondern bisher schöngefärbt worden. "Wir befinden uns in Kundus in einem regionalen Krieg", sagte Kirsch.