Die Regierung Merkel/Westerwelle hat ein politisches Erdbeben erschüttert, wie das noch kein Kabinett in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erlebt hat - jedenfalls nicht in dieser rekordträchtigen Geschwindigkeit.

Hamburg. Die Regierung Merkel/Westerwelle hat ein politisches Erdbeben erschüttert, wie das noch kein Kabinett in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erlebt hat - jedenfalls nicht in dieser rekordträchtigen Geschwindigkeit. Gerade 30 Tage im Amt sind der Bundesregierung ein Minister, ein Staatssekretär und der Generalinspekteur der Bundeswehr abhanden gekommen, muss eine andere Ministerin, Ursula von der Leyen, das Ressort wechseln und eine Provinzpolitikerin macht Blitzkarriere in Berlin.

"De mortuis nihil nisi bene", sagt der Lateiner und will damit sagen: Über Tote nur Gutes. Das fällt in diesem Fall schwer. Franz Josef Jung war politisch schon ein toter Mann, als die "Bild"-Zeitung am Donnerstag mir ihrer Enthüllungsgeschichte über die wahren Auswirkungen des Bombenangriffs bei Kundus an den Kiosken lag - und Jungs Nachfolger, der Freiherr zu Guttenberg, mit den Rücktritten von Generalinspekteur und Staatssekretär eine politische Brandschneise geschlagen hatte.

Echte Rückendeckung von der Kanzlerin gab es schon an jenem turbulenten Donnerstag nicht für den ungeliebten Mann aus Hessen, den ihr 2005 Roland Koch untergeschoben hatte. Jung galt damals bald als überfordert und eine Art Blindgänger an der Spitze des Verteidigungsministeriums - sein Wechsel ins Arbeitsministerium war nur dem regionalen Proporz geschuldet. Dieser politischen Architektur verdankt auch Jungs Nachfolgerin im Hessen-Proporz ihre Berufung. Nicht ungefährlich für Merkel, denn sie rückt in ein Ministerium ein, das ihre Vorgängerin mit ihrer Familienpolitik zu einer Schlüsselstelle für moderne Unionspolitik gemacht hat. Frau von der Leyens Wechsel ist dagegen ohne Risiko. Ihre Tüchtigkeit gilt als bewiesen.

Noch so ein Debakel darf der Kanzlerin nicht mehr passieren. Die Diskussion etwa um die unausgegorene Steuerreform hat schon dazu geführt, dass selbst in der Union von einem Stolperstart der schwarz-gelben Koalition geredet wurde. Mit dem zweiten Zapfenstreich für Jung ist sie nah bei dem Chaos, wie wir es aus den Anfangsmonaten von Rot-Grün im Jahr 1998 kennen. "Die können es nicht", hämte damals die CDU. Dabei kam Rot-Grün aus der Opposition.