Die neue Bundesregierung will die militärische und die zivile Zusammenarbeit in Afghanistan stärker als bisher verzahnen.

Berlin. Entwicklungsminister Dirk Niebel kündigte am Dienstag in Berlin an, noch in diesem Jahr werde die staatliche Entwicklungshilfe um 52 Millionen auf insgesamt 144 Millionen Euro aufgestockt. Auch das zivile Engagement soll künftig seinen Schwerpunkt im Norden Afghanistans im Raum Kundus haben. Bereits beschlossen ist, die Zahl der dort stationierten Bundeswehrsoldaten um 120 auf dann 1.000 anzuheben. Die deutsche Entwicklungspolitik und die Sicherheitszusammenarbeit müssten in dem Land am Hindukusch gemeinsam auftreten, sagte der FDP-Minister. Er teile nicht die Kritik von Hilfsorganisationen an der Vermischung von militärischer und ziviler Hilfe in dem kriegszerrütteten Land. „Es wird keine Militarisierung der deutschen Entwicklungshilfe geben“, betonte Niebel. Es werde aber „eine deutliche Verbesserung der Zusammenarbeit“ mit der Bundeswehr geben.

Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte in der vergangenen Woche für eine bessere Zusammenarbeit zwischen ziviler und militärischer Hilfe plädiert. Dabei sei er sich durchaus bewusst, dass die Entwicklungshelfer die Soldaten eher als Teil des Problems als als Teil der Lösung ansähen, erklärte der CSU-Politiker. Sie müssten mehr als bisher hinter dem Konzept der Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) stehen. Es müsse klarwerden, dass man ein gemeinsames Ziel habe.

Gegen das Konzept sprach sich der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) aus, dem 120 Gruppen angehören. „Trotz des internationalen Militäreinsatzes hat sich die Situation der afghanischen Bevölkerung dramatisch verschlechtert“, sagte Jürgen Lieser, stellvertretender VENRO-Vorstandsvorsitzender. In einem Positionspapier kritisiert der Verband die „unklare Grenzziehung“ zwischen dem humanitären und dem politischen Mandat. Er lehnt das Konzept der PRT als eine institutionalisierte Form der zivil-militärischen Zusammenarbeit ab.

Lieser plädierte für einen grundlegenden Strategiewechsel in Afghanistan. „Statt mehr Soldaten in den Krisenstaat am Hindukusch zu schicken, sollte der zivile Wiederaufbau vorangetrieben werden.“ Im ARD-Morgenmagazin fügte Lieser hinzu, während die Bundeswehr in Afghanistan im kommenden Jahr fast 800 Millionen Euro kosten werde, würden für Entwicklungshilfe insgesamt derzeit nur knapp 200 Millionen Euro ausgegeben.

Niebel sagte, auch die neue Bundesregierung habe das „zivile Engagement in den Mittelpunkt gestellt“. Mit den 52 Millionen Euro zusätzlich für Afghanistan sei unter anderem die Einrichtung eines flexiblen Regionalentwicklungsfonds zur Förderung von Erwerbsmöglichkeiten und „guter Regierungsführung“ in der Region Kundus vorgesehen. Auch seien besonders arbeitsintensive Infrastrukturprojekte sowie der Bau von Berufsschulen geplant, um langfristig Beschäftigung und Perspektiven gerade für die junge Bevölkerung zu schaffen.

Niebel erinnerte daran, dass der afghanische Staatspräsident Hamid Karsai für seine zweite Amtszeit ein ambitioniertes Reformprogramm angekündigt hat und die Korruption konsequenter bekämpfen will. Um die afghanische Regierung auf diesem Kurs zu unterstützen, würden die Entwicklungsmittel aufgestockt. „Mit dieser Zusage treten wir in Vorleistung“, betonte der Minister.