Berlin/Hamburg. Die Proteste deutscher Studenten gegen Missstände des Ausbildungssystems an den Hochschulen haben gestern bei einem bundesweiten Aktionstag ihren Höhepunkt gefunden. Bis zu 85 000 Studenten, Schüler und Auszubildende demonstrierten deutschlandweit insbesondere für Nachbesserungen der sogenannten Bologgna-Reform, mit der vor zehn Jahren die umstrittenen verschulten Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt wurden. In Berlin gingen Schätzungen zufolge 12 000 Demonstranten auf die Straße, in München sollen 10 000 an einer Kundgebung beteiligt gewesen sein.

In Hamburg, wo die Studenten seit vergangener Woche das Audimax besetzen, fanden sich am späten Nachmittag circa 1000 Kommilitonen zu einer Bildungskundgebung in der Innenstadt ein. Außer den Studierenden sprachen auch Vertreter aus Schulen und Gewerkschaften. Neben dem Kampf für bessere Studienbedingungen geht es in Hamburg auch um den aus Sicht protestierender Studenten undemokratischen Findungsprozess des neuen Präsidenten der Universität. Bis auf Weiteres soll der zentrale Hörsaal besetzt bleiben.

Hauptmotiv der Demonstranten ist aber, dass seit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge der Wechsel von Studienorten wegen zu spezieller Schwerpunkte meist unmöglich ist. Dazu kommt, dass die Studiengänge vielerorts mit Stoff und Prüfungen überfrachtet wurden, weil die Lehrinhalte nicht den kürzeren Regelstudienzeiten im Vergleich zum alten Magister/Diplom-System angepasst wurden. Als problematisch gilt auch die fehlende Anerkennung der Bachelor-Abschlüsse bei potenziellen Arbeitgebern. Für das anspruchsvollere Masterstudium wurden - auch aus Kostengründen - teils hohe Zulassungsbeschränkungen verhängt. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte deshalb: "Nationale und internationale Mobilität im Studium muss endlich Realität werden. Jedem Bachelor-Absolventen muss es freistehen, einen Master-Abschluss zu erwerben."

Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz (KMK), Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Henry Tesch sagte, dass die Verantwortung für Nachbesserungen bei den einzelnen Kultusministerien und Hochschulen liege. Die KMK habe bereits Empfehlungen formuliert. "Die Umsetzung muss natürlich durch die Universitäten geleistet werden", sagte der CDU-Politiker dem WDR.

Tesch sieht die Hochschulen in der Pflicht, die Studierbarkeit der Bachelor- und Masterstudiengänge zu gewährleisten. Die KMK hat die Hochschulen etwa dazu aufgerufen, unterschiedliche Regelstudienzeiten für Bachelor-Studiengänge zu beschließen, um in besonders lernintensiven Bereichen das Prüfungsmarathon zu entschleunigen und den Studenten wieder mehr Zeit für vertiefende Arbeiten zu geben.

Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), die auf die ersten Studentenproteste im Sommer zunächst noch ablehnend reagiert hatte, zeigte Verständnis für die Protestierenden. "Es gibt Anliegen, die kann ich gut verstehen", sagte sie. Dies betreffe auch die Situation in der Lehre. Bei der Umsetzung der Hochschulreform habe es handwerkliche Fehler gegeben. In der "Berliner Zeitung" stellte sie zudem eine BAföG-Erhöhung in Aussicht. In Deutschland sei noch nie so viel in Bildung investiert worden wie derzeit.

Hamburgs GAL-Bundestagsabgeordnete und Ex-Wissenschaftssenatorin Krista Sager entgegnete: "Als ehemalige Landeskultusministerin müsste Schavan wissen: Es hilft wenig, die Bildungsausgaben des Bundes zu erhöhen, wenn der Bund gleichzeitig den Ländern die Steuereinnahmen wegschlägt."