Fast 16 Milliarden Euro schießt der Bund den Krankenkassen zu. Doch das Geld reicht nicht. Jetzt drohen Extraprämien.

Berlin. Trotz einer Finanzspritze in Rekordhöhe von 15,7 Milliarden Euro aus der Staatskasse drohen bei vielen Krankenkassen im kommenden Jahr Finanzlöcher und Zusatzbeiträge. Zwar einigten sich die Minister Philipp Rösler und Wolfgang Schäuble darauf, kommendes Jahr 3,9 Milliarden Euro mehr an Steuergeldern an den Gesundheitsfonds zu geben. Doch ist damit das erwartete Defizit von rund 7,5 Milliarden Euro noch nicht gedeckt. Über die geplante langfristige Gesundheitsreform sind Union und FDP tief zerstritten.

Die Einigung von Finanzminister Schäuble und Gesundheitsminister Rösler bestätigte das Gesundheitsministerium am Wochenende. Gemeldet hatten sie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „Der Spiegel“. Der nun erhöhte Bundeszuschuss soll – ebenso wie bei der Arbeitslosenversicherung – nur die krisenbedingten Einnahmeausfälle decken.

„Für Löcher durch schlechtes Management ist der Steuerzahler aber nicht zuständig“, stellte Finanzminister Schäuble in der „Wirtschaftswoche“ klar. Um den Rest des Defizits zu decken, müssen die Kassen entweder Rücklagen aufbrauchen oder Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern erheben. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel begrenzte die Hilfen auf die Kosten der Krise: „Wir glauben, dass es richtig ist, dass die Kosten der Kurzarbeit und der erhöhten Arbeitslosigkeit nicht von den Beitragszahlern alleine getragen werden, sondern dass diese Kosten von der Gesamtheit der Steuerzahler und damit vom Bundeshaushalt übernommen werden."

Der Spitzenverband der Krankenversicherung begrüßte die Ankündigung der Regierung, machte aber zwei Einwände: Zum einen bezifferte der Verband die konjunkturbedingten Ausfälle nicht nur auf 3,9, sondern auf 4,6 Milliarden Euro. Zum anderen forderte er Spargesetze von der Politik. Es sei „wichtig, auch die Ausgabenseite in den Blick zu nehmen“, erklärte Sprecher Florian Lanz. Die Einnahmen der Pharmaindustrie, der Krankenhäuser und der Ärzte dürften „nicht ungebremst steigen“.

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Gesundheitsreform ist nur wenige Wochen nach dem Start der Regierung wieder heftig umstritten. CSU-Chef Horst Seehofer erteilte Plänen zur Einführung einer Kopfpauschale eine deutliche Absage. „Es ist völlig ausgeschlossen, dass wir unser Gesundheitswesen durch eine einkommensunabhängige Prämie finanzieren“, sagte Seehofer dem „Spiegel“. FDP-Politiker Rösler hatte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abkoppelung der Kassenbeiträge vom Einkommen vehement verteidigt. Seehofer betonte jedoch, eine Prämie setze einen sozialen Ausgleich über Steuern voraus, der pro Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag verschlinge. „Bisher hat mir noch niemand erklären können, wo so viel Geld herkommen soll“, betonte der bayerische Ministerpräsident.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn mahnte die beiden Koalitionspartner, nicht mit Streit die Öffentlichkeit zu verunsichern. Es sei vereinbart, über die Reform im nächsten Jahr intern zu beraten. Der Koalitionsvertrag „sieht den Einstieg in eine lohnunabhängige Finanzierung vor“, erklärte der CDU-Politiker. Alle drei Partner hätten dem zugestimmt. Im Vertrag ist ausdrücklich von „einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen“ sowie von der Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags die Rede. Eine Regierungskommission soll die Einzelheiten ausarbeiten. Der designierte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verteidigte das Modell im Deutschlandfunk, räumte aber ein, dass die Umsetzung „nicht einfach“ sei.