GM brüskiert die Kanzlerin auf ihrer Amerika-Reise. US-Konzern will 10 000 Stellen in Europa streichen.

Hamburg. Der geplatzte Opel-Verkauf hat bei den 25 000 Beschäftigten in Deutschland Bestürzung ausgelöst. Auch bei der Bundesregierung sorgte die überraschende Entscheidung des Mutterkonzerns General Motors (GM) für Entsetzen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde während ihrer USA-Reise erst kurz vor dem Rückflug von der GM-Kehrtwende informiert. Beobachter sprachen von einer "Brüskierung" der Kanzlerin, die nur Stunden zuvor für ihre Rede vor dem US-Kongress gefeiert worden war. Über Monate hatte sich Merkel für eine Abspaltung des seit 80 Jahren zu GM gehörenden Unternehmens und den Verkauf an den österreichischen Autozulieferer Magna und die russische Sberbank starkgemacht.

Ein Regierungssprecher sagte, die Kanzlerin werde in naher Zukunft mit US-Präsident Barack Obama über Opel sprechen. Es gebe keine Hinweise, dass die US-Regierung unmittelbar mit der Entscheidung des GM-Verwaltungsrats befasst war. GM befindet sich mehrheitlich in Staatsbesitz.

Die Beschäftigten in den vier deutschen Opel-Werken müssen nun um ihre berufliche Zukunft bangen. Der Europa-Chef von GM, Carl-Peter Forster, sagte der "Bild"-Zeitung, er erwarte "massive Einschnitte" in den Werken. Europaweit sollen von den rund 50 000 Stellen 10 000 wegfallen. GM stellte ein unmissverständliches Ultimatum an die Belegschaft: "Wenn wir uns nicht auf die nötige Restrukturierung einigen können, hätte dies die Opel-Insolvenz zur Folge", hieß es. Die Beschäftigten reagierten aufgebracht. Für heute wollen sie mit Warnstreiks die Produktion lahmlegen und gegen Werksschließungen demonstrieren. Als besonders gefährdet gelten die Fabriken in Bochum, Kaiserslautern und Eisenach.

EU-Industriekommissar Günter Verheugen warnte vor einem "Bieterwettbewerb" unter den EU-Staaten mit Opel-Standorten. "Wenn jeder für sich mit Detroit verhandelt, werden sich die Amerikaner die besten Angebote aussuchen können", sagte er dem Abendblatt. "Ob das die wirtschaftlich tragfähigsten wären, stünde in den Sternen."

Der designierte SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Kanzlerin indirekt Wählertäuschung vor. Es gebe den bösen Verdacht, dass Merkel nur den Anschein erweckt habe, sich für die Opel-Rettung einzusetzen, sagte er dem "Tagesspiegel". Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nannte das Verhalten von GM "völlig inakzeptabel". Zugleich schloss er neue staatliche Beihilfen nicht aus. "Wir werden uns von GM aber nicht unter Druck setzen lassen."

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, zeigte sich vom Verhalten der Amerikaner "erstaunt", wie er dem Abendblatt sagte. "Es wirft ein schlechtes Licht auf wirtschaftsethische Prinzipien." Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, GM zeige "das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus".

Unterdessen erklärte sich GM dazu bereit, die noch nicht zurückgezahlten 900 Millionen Euro des Kredits der Bundesregierung in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro zügig zu überweisen.