Der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete und Haushaltsexperte Johannes Kahrs kritisiert die Steuersenkungspläne der neuen schwarz-gelben Koalition.

Berlin. Hamburger Abendblatt:

Herr Kahrs, unter den CDU-Ministerpräsidenten formiert sich Widerstand gegen die geplanten Steuerentlastungen im Bund. Können Sie den Protest nachvollziehen?

Kahrs:

Na klar, durch die Steuersenkungspläne von Union und FDP könnten ja auch die Landeshaushalte in Schieflage geraten. Die Ministerpräsidenten haben eine Verantwortung gegenüber ihren Ländern, jetzt das Schlimmste zu verhindern. Jeder Regierungschef, der sein Amt ernst nimmt, sollte dem Beispiel von Günther Oettinger und Christian Wulff folgen, aufstehen und sagen: Nicht mit mir! Ich würde mich deshalb auch freuen, wenn Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust jetzt seinen Einfluss in Berlin geltend macht. Die Hamburger Finanzbehörde hat schließlich schon eigene Steuerausfälle in Milliardenhöhe, dazu kommen die Mehrkosten bei der Elbphilharmonie, die Baukosten der U 4 und das Debakel bei der HSH Nordbank. Was Union und FDP vorhaben, dürfte den Hamburger Haushalt endgültig versenken.

Abendblatt:

Trotzdem: 2011 soll die Steuersenkung kommen, nur das Volumen ist noch unklar ...

Kahrs:

Das ist unverantwortlich. Wir müssen in Deutschland in den nächsten Jahren ohnehin mehr als 380 Milliarden Euro Steuerausfälle verkraften. Wir haben teure Konjunkturpakete aufgelegt. Wir haben Bankenrettungs- und Finanzmarktrettungspakete geschnürt, die uns noch viel Geld kosten können. Und wir müssen sehen, dass die Sozialkassen erst jetzt von der Krise voll erwischt werden. Die Einnahmeausfälle und Mehrkosten für den Staat sind hier noch gar nicht absehbar. Wie man in solch einem dramatischen Umfeld Steuern senken will, ist mir schleierhaft. Wenn Union und FDP dann aber auch noch sagen: Wir machen das auf Pump, dann wird es richtig unseriös.

Abendblatt:

Derzeit wird für 2009 ein dritter Nachtragshaushalt mit einem Sonderfonds diskutiert, aus dem 2010 das Minus der Bundesagentur für Arbeit und das der Krankenkassen beglichen wird. Offenbar soll dafür der Investitions- und Tilgungsfonds genutzt werden, der zur Finanzierung des zweiten Konjunkturpakets aufgelegt wurde.

Kahrs:

Hätte die SPD so etwas vorgeschlagen, dann hätten Union und FDP, die Wirtschaftsweisen und die Wirtschaftpresse uns mit der Peitsche durchs Land gejagt. Was die Koalitionäre in spe da mit dem Investitions- und Tilgungsfonds vorhaben, ist nichts als ein billiger Taschenspielertrick. Fakt ist: Die Belastung für die nachfolgenden Generationen steigt weiter. Und keiner tut etwas, um das Minus abzutragen. Aber in Berlin rechnet man sich gerade das Leben schön, statt sich den Problemen zu stellen. Das kommt davon, wenn man im Wahlkampf den Mund zu voll nimmt. Wir Sozialdemokraten haben das in der Zeit unserer Regierungsverantwortung anders gehandhabt.