Ende einer Ära: Hubertus Schmoldt (64) geht, Michael Vassiliadis kommt. Was die IG BCE zu der etwas anderen Gewerkschaft macht.

Hamburg/Hannover. Für die drittgrößte Einzelgewerkschaft mag es nur ein Personalwechsel sein. Doch der Abschied von Hubertus Schmoldt (64) an der Spitze der IG Bergbau, Chemie und Energie beendet eine ungewöhnliche Ära in der sozialen Marktwirtschaft Deutschlands.

Schmoldt war zwölf Jahre ein besonnener Macher, kein Lautsprecher. Ein Diplomat, kein Agitator. Die etwas andere Gewerkschaft der aussterbenden Spezies der Bergbauarbeiter und der aufstrebenden aus Chemie- und Energiebranche war mit Schmoldt mehr Partner als Gegner der Unternehmen. Fast schon kämpferisch klang das, was er zu seinem Abschied gestern sagte: "Spätestens jetzt, in dieser Krise, sollte auch der Letzte gemerkt haben: Ohne uns, ohne die Gewerkschaften geht es nicht", sagte Schmoldt.

Er verlangte von den Arbeitgebern, weiter auf die Kurzarbeit zu setzen und nicht zu entlassen. "Produktion und Arbeitsplätze, die in der Krise verloren gehen, sind auch nach der Krise kaum mehr rückholbar." Notwendig sei jetzt ein "Rettungsschirm für die Realwirtschaft".

Heute wird der 20 Jahre jüngere Michael Vassiliadis zu Schmoldt Nachfolger gewählt. Ob er wie Schmoldt je das Angebot bekommt, als Minister in ein Bundeskabinett einzutreten? Schmoldt, der viele Jahre in Hamburg arbeitete und am Rande der Lüneburger Heide wohnt, gab dem Werben des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder nicht nach. Vassiliadis stammt aus Essen, ist ebenfalls SPD-Mitglied und wie Schmoldt vom Pragmatiker-Flügel der Partei.

Ob der Neue den Mitgliederschwund aufhalten kann? Während Ver.di und andere Gewerkschaften sich relativ konstant halten, verliert die IG BCE weiter Mitglieder. Derzeit hat sie noch rund 690 000. Es mangelt an Jüngeren, hoch qualifizierten und weiblichen Beschäftigten, die sich engagieren.

Schmoldt hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er anders als seine Partei die Atomkraftwerke länger laufen lassen würde. Er drängte schon auf die Abschaffung der kalten Progression im Steuersystem, da hatte die Große Koalition nicht einmal die Hälfte ihrer Amtszeit um. Und er wollte die alte Pendlerpauschale schnell zurück, weil sein Herz für die leistungsbereiten Arbeitnehmer schlägt, die für den Job lange Wege in Kauf nehmen.

Zu hohen Managerbezügen hatte er eine zurückhaltende Meinung. Seit Jahren sitzt er im Aufsichtsrat von Konzernen wie Bayer, E.on und BP. Leistung und Einkommen der Manager müssten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Er sprach sich früh in der Debatte dafür aus, die Prämien stärker an langfristige Ziele zu koppeln.

Ratschläge für seinen Nachfolger Vassiliadis wollte Schmoldt nicht geben. "Dem muss ich nichts auf den Weg geben, der weiß schon selbst genau, was er zu tun hat."