Bundesbank-Präsident Axel Weber hat Vorstand Thilo Sarrazin den Rücktritt nahegelegt. Doch Sarrazin hat schon ganz andere Skandale überlebt.

Istanbul. Der Fall des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin nimmt immer skurrilere Formen an. Bundesbank-Präsident Axel Weber konnte sich in Istanbul nur mit einem Bodyguard in die Öffentlichkeit trauen. Der Vizechef der türkischen Zentralbank hat die Äußerungen Sarrazins über türkische Migranten scharf kritisiert. "Allah möge ihm mehr Verstand geben", sagte Ibrahim Turhan nach einer Meldung der Zeitung "Sabah". Der deutsch-türkische Politiker und Hamburger Reiseunternehmer Vural Öger forderte den Ausschluss Sarrazins aus der SPD.

Vor einem Parteiausschlussverfahren könnte aber noch der freiwillige Abschied aus dem Bundesbank-Vorstand stehen. Denn Notenbankchef Weber hat dem früheren Berliner Finanzsenator Sarrazin indirekt den Rücktritt nahegelegt. Entlassen kann er ihn laut Gesetz nicht. Am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Istanbul sagte Weber: "Der Bundesbank ist ein Reputationsschaden entstanden." Dieser Schaden müsse schnell behoben werden. Auch die Bundesbankgewerkschaft sprach sich für einen Rücktritt Sarrazins aus. Er habe dem Ansehen der Bank erheblichen Schaden zugefügt und sei als Vorstandsmitglied nicht mehr tragbar, hieß es in einer Erklärung.

Weber hatte den Interviewtext vorher gelesen und Sarrazin laut "Spiegel Online" förmlich verboten, es so drucken zu lassen. Doch Sarrazin hat sich augenscheinlich darüber hinweggesetzt. In der Zeitschrift "Lettre International" hatte Sarrazin unter anderem gesagt, 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin lehnten den deutschen Staat ab. "Eine große Zahl an Arabern und Türken hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln. Das gilt auch für einen Teil der deutschen Unterschicht, die einmal in den subventionierten Betrieben Spulen gedreht oder Zigarettenmaschinen bedient hat", hatte Sarrazin gesagt.

"Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert." Der Berliner SPD-Ortsverband Alt-Pankow hat nach Informationen des RBB einen Antrag auf ein Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin mit dem Ziel des Ausschlusses aus der SPD gestellt. Der Antrag muss von der Kreisschiedskommission im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf behandelt werden. Dort ist Sarrazin als Parteimitglied gemeldet.

Sarrazins Äußerungen sind auch ein Fall für die Berliner Staatsanwaltschaft geworden. "Das Landeskriminalamt prüft in Absprache mit der Staatsanwaltschaft, ob durch den Wortlaut des Interviews die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten sind und sich ein Anfangsverdacht für einen strafbaren Inhalt ergibt", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Ein förmliches Ermittlungsverfahren gebe es noch nicht.