Streit um Unionsversprechen auf Steuersenkungen trotz Schuldenrekords. Finanzminister prophezeit Zumutungen und kritisiert Entlastungspläne der CDU/CSU. Die Kanzlerin kontert.

Berlin. Nein, er werde nicht der "Doofmann", der "Depp" und der "Blödmann" sein, sagt Peer Steinbrück zurzeit in alle Kameras und Mikrofone, mit denen er sich konfrontiert sieht. Union und FDP streuten den Leuten mit angekündigten Wohltaten Goldstaub in die Augen. Und er solle stattdessen erklären, welche Zumutungen es geben werde und wie genau die gigantischen Haushaltslöcher zu stopfen seien: "Nein, danke." Genauso äußerte er sich auch am Sonntag in der ARD-Sendung "Anne Will". Steinbrück leistete sich dort einen offenen Schlagabtausch mit Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der zwar ebenfalls harte Einschnitte prophezeite, aber am Plan der Union festhielt, nach der Wahl das Steuersystem gerechter zu gestalten. Dies könne schließlich auch Wachstumskräfte freisetzen, die dann wieder dem Staatshaushalt zugutekämen.

Was aber die Einschnitte betraf, da wurde er genauso wenig konkret wie sein Konterpart. "Es werden Jahre werden, wo gespart werden muss und manches Liebgewonnene auf den Prüfstand muss", sagte zu Guttenberg. Das klang fast so nebulös wie Steinbrücks Einlassung: "Es wird Änderungen bei Einnahmen und Ausgaben geben."

Überraschend kommt die Botschaft keinesfalls. Verteilungskämpfe hatte Steinbrück schon im Sommer vorausgesagt. Die schwerste Krise seit Jahrzehnten mit einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um wohl fünf Prozent in diesem Jahr, enormen Steuerausfällen und steigenden Arbeitslosenzahlen reißt tiefe Löcher in die Staatskassen. Auf 320 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen müssen sich Bund, Länder und Gemeinden einstellen. Gleichzeitig schrumpfen die Beitragseinnahmen für die Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenkasse. Pro Sekunde kommen 4439 Euro neue Staatsschulden dazu. Bis 2013 steuert Deutschland auf einen Schuldenberg von mehr als zwei Billionen Euro zu.

Das ist fast so viel, wie Deutschland als viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt in einem Jahr erarbeitet. Hinzu kommt die Schuldenbremse im Grundgesetz, auf die auch Steinbrück in der Sendung verwies. Diese zwingt den Staat, steuerliche Mehreinnahmen zur Schuldentilgung einzusetzen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält aber an den von der Union geplanten Steuersenkungen trotzdem fest: "Wenn wir den Aufschwung kaputtsparen, dann werden wir etwas falsch machen", sagte sie NDR Info. Und: "Man kann gar nicht so viel sparen, dass man ohne Wirtschaftswachstum gut rauskommt. Wir müssen auf Wachstum setzen." Ziel müsse es sein, "durch Arbeit Haushaltslöcher möglichst schnell zu schließen".

Linksparteichef Oskar Lafontaine forderte Union und SPD auf, noch vor der Wahl bereits geplante Einsparungen zu benennen. Im Falle einer weiteren Regierungsbeteiligung sollten die Parteien nicht bei Arbeitnehmern, Rentnern und sozial Schwachen sparen, sagte Lafontaine.

Die CSU stellte gestern indes ein 100-Tage-Sofortprogramm für den Fall einer schwarz-gelben Bundesregierung vor. Darin bekräftigte die Partei unter anderem ihre Forderung, die Einkommenssteuer in zwei Schritten 2011 und 2012 zu senken. Die Schwesterpartei CDU lehnt die Festlegung auf solch konkrete Daten wegen der ungewissen wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands weiterhin ab.