Es ist paradox: Die Bürger wünschen sich in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise mehr denn je starke und stabile Regierungen, wählen aber genau das Gegenteil.

Im Kieler Landtag dürften nach dem 27. September mindestens sechs Parteien vertreten sein, im Berliner Bundestag ebenfalls.

Der Trend zum Viel-Parteien-System korrespondiert mit dem Wandel der Gesellschaft. Menschen folgen zunehmend ihrem persönlichen Kompass und wählen auch so. Die Bindung zu Großorganisationen schwindet. Kirchen und Gewerkschaften und eben auch die beiden Volksparteien CDU und SPD verlieren Anhänger. Diese Entwicklung kann man bedauern, aber man muss sie zur Kenntnis nehmen und daraus Konsequenzen ziehen.

CDU und SPD haben den einfachsten Weg eingeschlagen. Sie sind an der Förde und an der Spree 2005 in Große Koalitionen geflüchtet. In Kiel ist das Ergebnis katastrophal, in Berlin ernüchternd. Die Volksparteien haben es auch vereint nicht geschafft, überfällige Strukturentscheidungen entschlossen durchzusetzen.

Die Volksparteien haben damit die Chance verpasst, Menschen an sich zu binden. Sie haben die Bürger verschreckt. In Schleswig-Holstein kommen CDU und SPD derzeit in Wahlumfragen zusammen auf gerade noch 57 Prozent, in Deutschland je nach Umfrage auf gut 60 Prozent. Und wie in Kiel und Berlin eine stabile Regierung gebildet werden kann, steht in den Sternen. Hier wir dort muss Schwarz-Gelb um den sicher geglaubten Wahlsieg zittern.

Der Ausweg ist keine Neuauflage der Großen Koalition. Nötig sind handlungsfähige Alternativ-Modelle zu Schwarz-Rot. Dafür müssen sich die kleinen Parteien bewegen. So gesehen ist das schwarz-grüne Bündnis in Hamburg ein Pilotprojekt. Es erfüllt zudem eine Kernforderung der Bürger. Der Senat regiert zwar nicht immer stark, ist aber stabil.