Rot-rote Koalitionen könnten zwei CDU-Ministerpräsidenten ablösen. Oskar Lafontaine zieht wieder die Strippen. Ist das schon ein Linksruck?

Berlin/Saarbrücken. In seinem größten Triumph seit seinem Abschied als Bundesminister hat sich Linken-Chef Oskar Lafontaine realistisch gegeben. Eine Koalition mit der SPD kann sich der frühere Spitzen-Sozialdemokrat auf der Bundesebene nicht vorstellen. „Die SPD braucht sich diese Frage nicht zu stellen“, sagte Lafontaine in der ARD-Sendung „Anne Will“. In den Ländern gebe es inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den Parteien. Aber im Bund überwögen die Differenzen. Als Beispiele nannte er den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sowie die Renten- und Arbeitsmarktpolitik. Solange die SPD in diesen Punkten andere Positionen vertrete als die Linke, gebe es keine Grundlage für eine Koalition.

Nach den Wahlen in Thüringen, Sachsen und im Saarland sieht sich die Linke gestärkt und auf Augenhöhe mit der SPD. „Wir sind bereit in Thüringen zu regieren“, sagte Parteichef Lothar Bisky. Die SPD müsse sich entscheiden, ob sie lieber unter die Fittiche von Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) schlüpfe oder mit den Linken regieren wolle. Wer denke, die Linke krieche zu Kreuze, weil die SPD ankomme, der irre sich.

Bisky sagte: „Mir geht dieser Ausgrenzungskurs von CDU und SPD auf die Socken.“ Die CDU bezeichnete er als Ausgrenzerpartei. Wenn die SPD deren Kurs mitmache, schade sie nicht den Linken, sondern mache sich selbst zur kleinen Partei. Bisky allerdings schloss eine rot-rote Koalition nach der Bundestagswahl am 27. September nicht aus. „Das hängt davon ab, was durchsetzbar ist“, sagte er.

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hat ausgeschlossen, dass seine Partei in Thüringen zugunsten der SPD ihren Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt aufgeben könnte. „Wir liegen neun Prozentpunkte vor der SPD“, sagte Gysi dem Nachrichtensender N24. Wenn die Linke jetzt zustimme, dass SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie Ministerpräsident werde, „würden wir den Wählerwillen verfälschen. Das ist indiskutabel“.

Die Wirtschaft warnte vor Regierungsbildungen mit der Linkspartei. „In allen drei Ländern besteht die Möglichkeit der Zusammenarbeit der Parteien, die sich eindeutig zur sozialen Marktwirtschaft bekennen“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, dem „Handelsblatt“. „Diese Chance sollte genutzt werden.“

Oskar Lafontaine scheint das alles wenig zu berühren. Seine Vergangenheit war Lafontaines größtes Kapital in diesem Wahlkampf: Im Saarland ist der Linken-Bundeschef und Spitzenkandidat seiner Partei gleichzeitig der Ex-Oberbürgermeister von Saarbrücken und Ex-Ministerpräsident. Im kleinsten deutschen Flächenland ist er noch immer „de Oskar“. Seine Popularität an der Saar verdankt er jenen Triumphen, die er dort einst als SPD-Politiker feierte. Ohne den Spitzenkandidaten Lafontaine wären die Linken kaum auf ein gutes Ergebnis gekommen.

Der SPD-Spitzendkandidat Heiko Maas sowie Ministerpräsident Peter Müller (SPD) warfen dem früheren Regierungschef Lafontaine vor, nie ernsthaft eine Rückkehr in die saarländische Staatskanzlei angestrebt zu haben. Lafontaine selbst hatte von Anfang klar gemacht, nur als Regierungschef nach Saarbrücken gehen und ansonsten in Berlin bleiben zu wollen. Für Lafontaine, Partei- und Fraktionsvorsitzender der Linken, war das gute Abschneiden im Saarland auch für seine Position innerhalb der Bundespartei wichtig. Denn auch dort ist der machtbewusste Lafontaine nicht mehr unumstritten.

Im Saarland erlebte Lafontaine seine politisch erfolgreichsten Zeiten. Von 1976 bis 1985 war Lafontaine Oberbürgermeister Saarbrückens, von 1985 bis 1998 für die SPD Ministerpräsident des Landes. Nach dem rot-grünen Erfolg bei der Bundestagswahl 1998 ging er als Bundesfinanzminister ins Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Nur ein Jahr später zog er sich als Minister und SPD-Bundesvorsitzender zurück. Ein politisches Erdbeben für die rot-grüne Regierung. Damit begann sein langer und zäher Abschied von der SPD, der im Mai 2005 mit dem Parteiaustritt endete. Der 30. August 2009 hat allerdings gezeigt: Im Saarland zählt noch der „Oskar-Faktor“.