Stell dir vor, es ist Wahlkampf - und keiner geht hin.

Oder niemand registriert ihn so recht, weil die großen Koalitionäre in Berlin sich partout nicht weh tun wollen und die kleinen Oppositionsparteien mit ihren Anliegen kaum durchdringen können, obwohl sie sich wie emotional vernachlässigte Kinder gebären und mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln um Aufmerksamkeit heischen.

Möglicherweise ändert sich das Bild in der kommenden Woche. Dann sind die Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und Thüringen gelaufen. Dann gibt es in den Ländern neue Konstellationen, vielleicht neue Angriffsflächen und weniger Gründe, den allgemeinen Berliner Kuschelkurs beizubehalten. Alles andere führt zu noch mehr Verdruss.

Und schlimmer als ein Wahlkampf, den niemand registriert, wäre eine Wahl, zu der sich immer weniger Bürger aufraffen wollen. Mit diesem demokratischen Recht scheint es mitunter wie mit vielen anderen Gütern unserer Wohlstandsgesellschaft bestellt zu sein. Wenn das, was einst auch bei uns hart erkämpft werden musste und in den vielen Diktaturen dieser Erde von Teheran bis Pjöngjang als erstrebenswertes Luxusgut gilt, zur Selbstverständlichkeit geworden ist, wird achtlos mit ihm umgegangen.

Wenn die Parteien schon nicht selbst für die Wahlen begeistern mögen oder können, liegt es an verantwortungsvollen Bürgern, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Sa hilft manchmal eben nur Selbstmotivation. Denn wer von seinen Einflussmöglichkeiten keinen Gebrauch macht, muss damit leben, dass es andere für ihn tun - und dann mit dem Ergebnis zufrieden sein.