Heide Simonis (66) war 1993 bis 2005 SPD-Ministerpräsidentin in Kiel. Vor vier Jahren scheiterte ihre Wiederwahl, weil ihr ein bis heute unbekannter SPD-Abgeordneter die Stimme verweigerte. Ihre Analyse.

Kiel. Der Bruch der Großen Koalition in Schleswig-Holstein und die Debatte über Neuwahlen ist zu einem Stückchen auch die Folge einer bösen Tat. Durch den "Heide-Mord" im März 2005, als meine Wiederwahl zur Ministerpräsidentin scheiterte, sind mit der CDU und der SPD zwei Parteien zusammengezwungen worden, die nicht miteinander können. Es war eine Not-Ehe. Nun läuft die Scheidung.

Eingereicht hat sie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Er muss den Menschen erklären, warum die Koalition nicht bis zum regulären Wahltermin am 9. Mai 2010 regieren soll. Einen echten Grund habe ich von ihm bisher nicht gehört. Im Gegenteil: Die Koalition hat noch vor vier Wochen ein großes Sparpaket geschnürt und es in dieser Woche im Landtag gemeinsam beschlossen.

Umso unverständlicher ist mir der Koalitionsbruch. Es ist den Menschen nicht zu vermitteln, dass man sich über die unerhörten Sonderzahlungen an den HSH-Nordbank-Vorstandschef Jens Dirk Nonnenmacher so in die Wolle kriegt, dass man sich nicht mehr zusammenraufen kann. Darüber schütteln die Leute doch den Kopf. Sie haben ganz andere Probleme. Verliere ich meinen Arbeitsplatz? Steigen meine Beiträge für die Sozialversicherungen? Ist am Ende des Monats noch genügend Geld in der Haushaltskasse? Auf diese und viele andere Fragen muss die Politik in Bund und Land Antworten geben. Koalitionsregierungen fällt das besonders schwer. Es gehört aber zum Wesen der Politik, dass man Konflikte ertragen und austragen muss. Herr Carstensen ist dazu offenbar nicht fähig. Er hat ein freundliches Gemüt, aber keine starken Nerven.

Der SPD-Vorsitzende Ralf Stegner ist bekanntlich aus anderem Holz geschnitzt. Sicherlich hat er eine Mitschuld an der jetzigen Debatte. Verantwortlich ist aber Herr Carstensen. Ich glaube, er möchte Neuwahlen um fast jeden Preis und im Windschatten der Bundestagswahl nach mehr als 20 Jahren mal wieder eine klare Mehrheit für die CDU in Schleswig-Holstein erzielen. Angela Merkel träumt im Bund ebenso von einem Start-Ziel-Sieg. Ich bin da aus Erfahrung aber vorsichtiger. Ich musste mehrfach am eigenen Leib erfahren, dass sich tolle Meinungsumfragen am Wahlabend leider nicht bestätigten.

Der Wille der Wähler ist eben manchmal unergründlich. Und am Ende kann sogar herauskommen, dass in Berlin und in Kiel wieder nur Große Koalitionen möglich sind. Ich hoffe das nicht. Aber man hat bekanntlich schon Pferde kotzen sehen.