Der Spitzenkandidat der SPD verliert an Zustimmung. Aber auch die Union kommt nur auf mäßige Werte.

Berlin. Für die Sozialdemokraten kommt es zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause knüppeldick. Laut ARD-Deutschlandtrend zieht es die Partei weiter in einen Abwärtsstrudel hinein. Demzufolge käme die SPD derzeit bei einer Bundestagswahl nur auf 23 Prozent der Stimmen. Das wären kaum zwei Prozentpunkte mehr als bei der Europawahl, deren Ergebnis Parteichef Franz Müntefering wegen zu geringer Wahlbeteiligung als "nicht aussagekräftig" abgetan hatte. Gegenüber der Erhebung vor einem Monat verliert die SPD im ARD-Deutschlandtrend zwei Prozentpunkte. Noch eklatanter ist aber der Absturz des Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier im Vergleich zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Obwohl ihr in der Steuerpolitik kaum Glaubwürdigkeit attestiert wird, sind 71 Prozent mit Merkels Arbeit zufrieden. Steinmeier hingegen rutschte um satte acht Punkte auf 55 Prozent ab. Auf Platz zwei der Rangliste wurde er von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU, 61 Prozent) abgelöst.

Allerdings kann die Union sich über ihr Ergebnis bei der Sonntagsfrage ebenfalls nur bedingt freuen. Sie verlor einen Prozentpunkt und landete mit 35 Prozent nur auf dem schwachen Niveau des Wahlergebnisses von vor vier Jahren. Da die FDP bei 15 Prozent rangiert (plus eins), würde es für eine schwarz-gelbe Koalition allerdings knapp reichen.

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering äußerte sich zuversichtlich, dass Union und FDP nach der Wahl nicht über eine Mehrheit verfügen würden. "Die werden uns brauchen, um zu regieren", sagte er der "Stuttgarter Zeitung". Die SPD werde sich aber nicht mit Koalitionsfragen beschäftigen, sondern versuchen, möglichst viel Zustimmung zu erreichen. Merkel sei "nicht glaubwürdig", erneuerte Müntefering Angriffe auf die Kanzlerin. Diese würde im Falle eines schwarz-gelben Wahlsieges die Politik von FDP-Chef Guido Westerwelle kopieren. Entsprechend habe in der Großen Koalition zwar die SPD den Kurs bestimmt, doch Merkel versuche "sich hinzustellen und zu sagen: alles meine Politik".

Außerdem attackierten die Sozialdemokraten die Union wegen ihrer strikten Weigerung, das Wahlrecht noch vor der Bundestagswahl zu ändern. Rechtsexperte Klaus Uwe Benneter fuhr schwere Geschütze auf. "Dieses Verhalten ist einer demokratischen Partei unwürdig", sagte er am Freitag in der Bundestagsdebatte über einen Gesetzentwurf der Grünen. "Das nächste Parlament wird nach einem in der Sache verfassungswidrigen Wahlrecht gewählt werden", fügte er an. Schuld daran seien ausschließlich CDU/CSU und FDP, weil sie keine schnelle Korrektur des Wahlrechts wollten. "Sie versündigen sich an einem grundlegenden Demokratieprinzip", sagte Benneter.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2008 entschieden, dass das bisherige Wahlrecht wegen negativer Stimmengewichtungen korrigiert werden müsse. Allerdings räumte das Gericht eine Frist bis 2011 zur Korrektur ein. Die SPD hatte erwogen, gegen den eigenen Koalitionspartner für den Gesetzentwurf der Grünen zu stimmen, der den bemängelten Verfassungsmissstand ausräumen soll. Die Fraktionsführung hatte dann aber doch dagegen entschieden, weil dies ein Bruch des Koalitionsvertrags mit der Union gewesen wäre.

Die Grünen sehen die Schuld für die SPD-Flaute in den Umfragen indes bei den Genossen selbst: "Statt grüne Ideen abzuschreiben, muss die SPD schleunigst ihren eigenen roten Faden entwickeln. Mit neuen ökologisch-sozialen Konzepten müssen wir die Arbeitsplätze von morgen schaffen. Nur so lässt sich die CDU übertrumpfen", sagte Spitzenkandidatin Renate Künast dem Hamburger Abendblatt. Das SPD-Präsidium berät am Montag in einer Telefon-Schaltkonferenz, wie es jetzt weitergehen soll.