Die Regierungparteien setzten im Wahlkampf verstärkt auf Konfrontation. Der Auslöser ist die Krise um Arcandor. Obwohl Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gegen Staatshilfen war, ist er der “Star des Kabinetts“.

Berlin. Der SPD-Kanzlerkandidat sucht sein Heil im Angriff. Was Frank-Walter Steinmeier einer Journalistenrunde auf der Fahrt in seinen brandenburgischen Wahlkreis am Montag noch "unter drei" gesagt hatte, also streng vertraulich, das konnte man dann gestern in der Zeitung lesen: Karl-Theodor zu Guttenberg, tönte Steinmeier da, habe geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Und nun sei er ein "Wirtschaftsminister für Insolvenzen", während der Arbeitsminister "für Arbeit" kämpfe!

Man muss kein großer Analytiker sein, um Steinmeiers Motive zu deuten. Der Ausgang der Europawahl vom Sonntag war ein Schock, zudem rutscht der Kanzlerkandidat in den Meinungsumfragen immer weiter ab. Gerade einmal 23 Prozent der Deutschen würden Steinmeier ihre Stimme geben, wenn sie ihren Kanzler direkt wählen könnten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) käme auf 55 Prozent. Noch mehr muss es die Sozialdemokraten allerdings wurmen, dass keineswegs der Abwrackprämien-Erfinder und Opel-Retter Frank-Walter Steinmeier als Star des Kabinetts gilt, sondern Karl-Theodor zu Guttenberg. Obwohl sich zu Guttenberg vehement gegen Staatshilfen für den Arcandor-Konzern ausgesprochen hat, den Steinmeier quasi um jeden Preis vor der Insolvenz retten wollte. Dass 60 Prozent der Bürger gegen Staatshilfen für Arcandor waren, hat die SPD ignoriert. Dass jeder Dritte findet, dass zu Guttenberg durch seine strikte Haltung an Statur gewonnen hat, macht sie nun fuchtig. Und nicht nur Steinmeier geht auf Guttenberg los. Dass dessen Angriff auf der SPD-Linie liegt, wurde gestern Mittag klar, als Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee die von Steinmeier in der "Bild"-Zeitung erhobenen Vorwürfe vor der Bundespressekonferenz nahezu wortgleich wiederholte.

In der Union sieht man genüsslich zu, wie sich die SPD verkämpft. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller meinte gestern im Deutschlandfunk, was Steinmeier gesagt habe, sei "natürlich dummes Zeug". Wolfgang Bosbach, der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, sprach von "Schwachsinn". Irgendjemand, so Bosbach gegenüber der Online-Redaktion der "Süddeutschen Zeitung", habe Steinmeier nach der verlorenen Europawahl wohl gesagt, dass er aggressiver auftreten müsse. Während CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt am Mittwoch mutmaßte, der SPD-Kanzlerkandidat habe "komplett die Orientierung verloren", sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer dem Hamburger Abendblatt: "Zu Guttenberg hat genau richtig entschieden und ist seinem Amtseid sehr gerecht geworden. Denn er hat Schaden vom deutschen Steuerzahler abgewendet. Wenn Herr Steinmeier Solidarität und Fairness anmahnt, dann kann ich nur sagen: Ja, richtig, wir ringen um den Erhalt der Arbeitsplätze. Aber wir sind auch solidarisch mit den Steuerzahlern, die bei Staatshilfen für Arcandor ihr hart erwirtschaftetes Geld hätten hergeben müssen, das ist fair und richtig."

Am Kabinettstisch soll Steinmeiers Guttenberg-Attacke gestern kein Thema gewesen sein. "Im Kabinett", erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg den Berliner Journalisten, "wird nur das beraten, was auf der Tagesordnung steht."

Allerdings sah sich die Kanzlerin etwas später veranlasst, etwas zu dem Casus zu sagen. Alle in der Regierung wüssten um die Sorgen und Ängste der Menschen, sagte Angela Merkel in Berlin. Es sei in schwierigen Situationen normal, dass über unterschiedliche Wege diskutiert werde, "aber ich glaube, dass der eingeschlagene Weg für Arcandor sehr, sehr viele Chancen für die Beschäftigten mit sich bringt."