Es gibt Patienten, die so viele Krankheiten mit sich herumschleppen, dass jede Therapie, die eines ihrer Leiden lindern könnte, gleich eines der übrigen verstärken würde.

Nur ein erfahrener Spitzenmediziner könnte hier Abhilfe schaffen. Ein solcher Patient ist das deutsche Gesundheitssystem. Aber ein Therapeut, der helfen könnte, ist nicht in Sicht.

Denn alle Beteiligten - Ärzte, Funktionäre, Krankenkassen, Gesundheitspolitiker, sogar die Patienten - sind Opfer und Täter zugleich. Als Opfer tragen sie vielfältige Last, aber als Täter haben sie alle jahrzehntelang dieses System selbst geschaffen.

Die Versicherten wollten möglichst niedrige Kassenbeiträge zahlen, also wurde der Geldtopf gedeckelt; die Ärzte ließen sich nur ungern in jedes Abrechnungsdetail blicken, also organisierten sie die Bezahlung über eigene Standesorganisationen; und den Krankenkassen war das Begleichen jeder einzelnen Arztrechnung zu aufwendig, also gab es Pauschalbeträge an zentrale Abrechnungsstellen. So wuchs in Jahrzehnten voller Reformen ein System, mit dem heute alle unzufrieden sind.

Pünktlich zum jährlichen Ärztetag stimmen die Opfertäter ihre Klagelieder an: Ärztefunktionäre sehen trotz frischer Milliarden die medizinische Versorgung gefährdet, während die Gesundheitsministerin gebetsmühlenartig vorschwindelt, jeder Patient bekäme die beste Therapie.

Dessen ungeachtet sorgen engagierte Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und viele Ungenannte dafür, dass den Kranken geholfen wird. Vor allem im Notfall läuft das meist wie geschmiert. Noch, denn die Reformer sind nicht zu stoppen. Irgendwann werden sie den Patienten Gesundheitssystem zum Notfall gemacht haben. Wenn er kollabiert, treten vielleicht die Einzelinteressen der Opfertäter zurück. Erst dann kann dem Patienten wirklich geholfen werden.