Herausforderin von Horst Köhler sieht Gefahr für die Demokratie. Struck und Steinmeier gehen auf Distanz.

Berlin. Noch vor einer Woche hatten die Genossen sie im Berliner Tempodrom gefeiert. Einen Moment lang machte es den Eindruck, die Partei und ihre Kandidatin hätten knapp einen Monat vor der Bundespräsidentenwahl wieder zueinandergefunden. Doch der Beifall für Gesine Schwan beim offiziellen Wahlkampfauftakt der SPD hielt nicht vor. Die Parteispitze geht klar auf Distanz zur ungeliebten, noch vom Ex-Vorsitzenden Kurt Beck angeheuerten Herausforderin von Amtsinhaber Horst Köhler (CDU).

Neuer Anlass sind Äußerungen, die die 65-Jährige jetzt zur Wirtschaftskrise zu Protokoll gab. Sollte der Sturzflug der deutschen Wirtschaft sich ungebremst fortsetzen, so Schwans Diagnose in der "Frankfurter Rundschau", dann drohe daraus "eine Gefahr für die Demokratie zu werden". "Unser Sozialstaat, den es etwa in den USA in dieser Form nicht gibt, fängt im Moment noch vieles auf." Wenn aber die Wirtschaft um sechs Prozent schrumpfe, "werden auch diese Halteseile irgendwann reißen", befand Schwan. Dann sehe sie soziale Verwerfungen voraus, die allgemein spürbar sein würden. Zuvor hatte die Kandidatin bereits im "Münchener Merkur" gesagt, in zwei bis drei Monaten könne die "Wut der Menschen" deutlich wachsen. Damit sprang die Kandidatin auf einen Zug auf, den DGB-Chef Michael Sommer und EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla mit Warnungen vor "sozialen Unruhen" bereits ins Rollen gebracht hatten.

Offensichtlich verärgert über die Thesen Schwans, erklärte Fraktionschef Peter Struck in der"Rheinischen Post: "Es ist nicht gut, wenn wir davon reden, dass hier Unruhen ausbrechen könnten wie in Frankreich oder anderswo". Das untergrabe die Bemühungen der Regierung, "die ja gerade alles tut, um die tiefe Krise für die Menschen abzumildern". SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte "Spiegel online": "Ich glaube, die sozialen Unruhen sollen wir nicht herbeireden."

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie viel Rückhalt Schwan bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai in den eigenen Reihen hat. Über mangelnde Unterstützung soll sie sich intern bereits im Januar beklagt haben. Doch der Politologin ist es offenbar außerdem nicht gelungen, die Bevölkerung hinter sich zu bringen. Im neuen Politbarometer sprachen sich nur neun Prozent für die SPD-Kandidatin aus, 76 Prozent hingegen für Amtsinhaber Köhler (siehe unten).

Unterstützung für ihre Thesen bekam Schwan indes von der Linkspartei, auf deren Stimmen sie in der Bundesversammlung hofft. Partei- und Fraktionschef Oskar Lafontaine sagte der "Leipziger Volkszeitung", er teile ihre Sorgen. Lafontaine verknüpfte diese Äußerungen mit der Forderung nach Schaffung eines Rechts auf "politischen Generalstreik" für Deutschland.

Unwichtig ist Lafontaines Zuspruch für Schwan keineswegs. Denn die SPD-Kandidatin hat nur dann eine Chance, wenn bei der Bundesversammlung im dritten Wahlgang der Linke-Kandidat Peter Sodann aus dem Rennen ist und die Partei auf die SPD-Bewerberin einschwenkt. Schwan bräuchte dann aber immer noch einige Stimmen aus dem Lager von Union, FDP und Freien Wählern. Doch diese sind bisher nicht in Sicht. Die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin sagte dem Abendblatt: "Szenarien, wie sie jetzt von Frau Schwan an die Wand gemalt werden, kannte ich bislang nur aus der kommunistischen Klassenkampf-Theorie. Wer lauthals vor Straßenkämpfen warnt, redet sie geradezu herbei. Frau Schwan sollte ihre Worte rasch zurücknehmen." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf Schwan "saudummes Dahergerede" vor, das den sozialen Frieden gefährde. Die SPD müsse sie zurückziehen.