Andreas Troge, der Präsident des Bundesumweltamtes, mahnt die Autoindustrie an ihre...

Andreas Troge, der Präsident des Bundesumweltamtes, mahnt die Autoindustrie an ihre Versprechen.


Abendblatt:

Die EU hat die Einführung schärferer CO2-Grenzwerte für Neuwagen verschoben. Ist die Politik vor der Autoindustrie eingeknickt?

Andreas Troge:

Nein, die Politik ist nicht eingeknickt. Denn wir werden Grenzwerte mit einem anspruchsvollen Ziel bekommen, nämlich bis 2020 auf 95 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer hinuntergehen. Das muss dann aber auch so festgezurrt werden. Und zwar rechtsverbindlich. Wir werden allerdings in den ersten Jahren in Deutschland eine Million Tonnen mehr Kohlendioxidemissionen aus dem Straßenverkehr haben als nach dem ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission.



Abendblatt:

Die Autoindustrie hatte seit 1998 Zeit, sich auf neue Grenzwerte einzustellen. Sie hat sich selbst verpflichtet, bis 2008 einen Ausstoß von 140 Gramm zu erreichen. Verträgt das Weltklima immer neue Verzögerungen?

Troge:

Ich sage ganz klar: Die Autoindustrie ist zehn Jahre in die falsche Richtung gelaufen, von der Produktion über die Entwicklung bis in die Werbung. Sie hat 1998 etwas versprochen und lässt sich jetzt zur Erfüllung dieses Versprechens noch mehr Zeit gewähren. Das ärgert mich persönlich. Aber objektiv gesehen hat die Verzögerung nur einen geringen Anteil am CO2-Ausstoß. Und ein Grenzwert, wie wir ihn jetzt beabsichtigen, ist ein Fortschritt. Dennoch bin ich verärgert über das sehr druckvolle Auftreten der Autolobby.



Abendblatt:

Wie verbreitet ist das Denken noch, dass in wirtschaftlich harten Zeiten die Ökonomie eben doch Vorrang hat vor der Ökologie?

Troge:

Das ist unter allen sehr verbreitet, nicht nur in der Politik und den Unternehmen, sondern auch unter uns Konsumenten. Wir lieben die Routine und verabschieden uns nicht gern davon. Es ist also für viele schwierig, jetzt den Wissenschaftlern zu folgen, die uns seit 20 Jahren erklären, was etwa beim Klimawandel auf uns zukommt. Ich glaube, die Problemlage ist jetzt für breite Bevölkerungsschichten erkennbar. Wir müssen sehen: Eine Finanzkrise lässt sich durch Staatshilfen noch ausbügeln. Für vernichtetes Naturkapital gibt es keine Staatsumlage - jeder büßt für sich allein.



Abendblatt:

Müsste man nicht gerade in der Finanzkrise in die zukunftsfähigen, umweltfreundlichen Bereiche der Autoindustrie investieren?

Troge:

Ich verstehe ja, dass beim Thema Auto immer Emotionen mitspielen. Aber Autoindustrie ist nicht gleich Klimaschutz oder Klimaschmutz. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Autoindustrie in der Diskussion in den Mittelpunkt gerückt wird, um ein ganz anderes, wesentlich wichtigeres Problem zu verdrängen: nämlich den europäischen Handel mit CO2-Emissionen der Kraftwerke und der Industrie. Hier geht es nicht um einige zehn Millionen Tonnen, sondern Hunderte Millionen Tonnen Kohlendioxidemissionen in Europa. Die Aufweichungstendenzen dort sind wesentlich gravierender zu beurteilen als in der Automobilindustrie.



Abendblatt:

Sehen Sie die EU noch in der Rolle des Vorreiters beim Klimaschutz?

Troge:

Ja, und sie muss es auch bleiben.